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Leserbrief zum Artikel Ex-Jugoslawien: Ein scheiterndes Experiment vom 16.02.2018:

Wespennest

Den ausgezeichneten Artikel von Hannes Hofbauer möchte ich mit ein paar wichtigen, historischen Tatsachen ergänzen.
Mit der jugoslawischen Verfassung von 1974 versuchte Tito in seinen letzten Amts- und Lebensjahren u. a. die bereits großzügige Autonomie der Albaner am Kosovo noch zu erweitern, so dass dieses serbische Gebiet nur noch das gemeinsame Militär mit dem Rest von Jugoslawien zu teilen hatte. Alle anderen Staatsinstrumente, insbesondere Polizei und Justiz, waren ab diesem Zeitpunkt voll in der Hand der Albaner.
Das große Zugeständnis führte jedoch zu keiner Zufriedenheit der Albaner. Sie setzten nach wie vor auf Unruhen in der Provinz. Als Tito persönlich zu einer Kundgebung nach Kosovo kam, musste er gedemütigt das Rednerpult verlassen, weil er von Albanern mit Tomaten und Eiern beschmissen wurde. Ab diesem Zeitpunkt hat von der Regierung niemand mehr gewagt, in das Wespennest Kosovo zu reisen.
Obwohl alle jugoslawischen Republiken seit dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet waren, einen beachtlichen Teil ihres BIP an Kosovo als Entwicklungshilfe zu zahlen, war Kosovo ständig unterentwickelt. (...) Als Tito starb, brach der albanische Terror gegen die serbische Bevölkerung und andere Nationalitäten in der Provinz los und wirkte in dem Zeitraum 1980–1989 ungebremst fort: An der Tagesordnung waren Drohungen, einzelne Vertreibungen, Schikanen und Mord. Sogar die Süddeutsche Zeitung zeigte in dieser Zeit auf der Titelseite eine serbische Bäuerin beim Bestellen des Feldes mit dem Kind auf dem Rücken und einer Waffe über der Schulter. Keine dieser kriminellen Taten wurde gerichtlich verfolgt: Polizei und Justiz waren in den Händen der Albaner.
Statt die Situation objektiv darzustellen, berichteten die westlichen Medien gerade das Gegenteil: Die Serben hätten die Albaner verfolgt. Der Westen hat bereits zu diesem Zeitpunkt im eigenen Interesse seine Finger in die Wunde der serbischen Republik gelegt, wie man erst später erfahren konnte.
Die Leiden der serbischen Bevölkerung im Kosovo in diesem Zeitraum hat nicht mal das zuständige jugoslawische Machtzentrum, das Präsidium, wahrgenommen. Dieser Zustand führte dann zu dem Exodus der Serben aus der Provinz 1989, den jugoslawisches Militär auf den Straßen nach Serbien aufgehalten hat, mit der Versprechung, dass ab jetzt die Bevölkerung vor dem Terror geschützt werde.
Aus diesem Grund wurde die erweiterte Autonomie der Albaner am Kosovo in bezug auf die eigene Polizei und Justiz aus 1974 zurückgenommen. Ab diesem Zeitpunkt mussten Arbeitsplätze auch mit Vertretern anderer Nationalitäten im Kosovo außer den Albanern besetzt werden.
Wie sich die Situation später mit westlicher Einmischung entwickelt hat, ist den kritischen Leuten bekannt. Heute ist Kosovo ein Protektorat der internationalen Institutionen und das erste
legale Land des Terrors in Europa, aus dem Rekrutierungen für den IS-Kampf von Afghanistan bis Syrien ungehindert laufen. Ich glaube, wir schulden den Opfern dieser Situation in Europa zumindest Aufklärung.
Olivera Götz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.02.2018.