Leserbrief zum Artikel Syrien: Aufschrei für Afrin
vom 05.02.2018:
Falsche Entscheidung
Ich war einer von denen, die da neulich ihre Solidarität mit den Menschen in Afrin auf der Straße zum Ausdruck gebracht haben. Viele, die hier dieser Tage gegen die türkische Agression protestieren, sind dabei aber gar nicht davon überzeugt, dass die Sache der Kurden bei YPG bzw. PKK derzeit gut zum Ausdruck gebracht wird. Mir geht es ähnlich. Nick Brauns gehört wohl nicht zu den Zweiflern. Er vergisst in seinem Bericht nämlich, sich und uns als Lesern vor Augen zu führen, dass die Entscheidungen der momentan maßgeblichen Kräfte in YPG und PKK u. a. dazu geführt haben, dass die Bewohner Afrins und dabei vor allem die Kurden jetzt sozusagen in offener Feldschlacht gegen die türkischen Militärs kämpfen sollen, während ihre Wohnstätten und städtische Einrichtungen skrupellos zusammengeballert werden. Diese äußerst schwache Position, diese bittere Richtungsentscheidung der YPG korrespondiert eindeutig v. a. mit ihrer Weigerung, die Zusammenarbeit mit den USA einzustellen und demgegnüber ein Bündnis mit den syrischen Regierungsstellen zu suchen. War ihnen nicht in den letzten Jahren von der Assad-Administration unter Vermittlung durch die Russische Förderation eine weitgehende Autonomie in Nordsyrien, also den kurdischen Siedlungsgebieten, angeboten worden? Jetzt werden sie von ihren US-amerikanischen Bündnispartnern an der kurzen Leine geführt, und es wird immer schwieriger, eine Befriedung der syrischen Verhältnisse insgesamt herbeizuführen, die US-Pläne der Zerschlagung Syriens abzuwenden und auch für die Kurden eine friedliche Perspektive zu erstreiten.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.02.2018.