Leserbrief zum Artikel Kommentar: Eigentum verpflichtet
vom 28.11.2017:
Ahnungslose Linke
Wenn alle Linken den hier herrschenden Finanzkapitalismus so »gut« verstanden haben wie der Autor Alexander Ulrich, kann einem himmelangst werden. In dieser Gesellschaft sichern nur wachsende Gewinne dem Unternehmen das Überleben. Langfristig stagnierende oder gar zurückgehende Gewinne sind im Shareholdersystem der glatte Untergang. Da müssen noch gar keine Verluste vorliegen. Denn zurückgehende Gewinne senken die Dividende, diese drückt wieder den Aktienkurs, und das verteuert Kredite und die ganze Produktion usw. usf. Ohne Siemens oder Thyssen-Krupp hier freizusprechen: Es handelt sich nicht um deren Bösartigkeit, sondern um die Bösartigkeit des Systems. Die Politik ist jetzt an der Reihe? Ja, was kann sie denn tun, außer die Kosten so oder so auf die kleinen Leute abzuwälzen? Alles andere würde eine mittlere Revolution erfordern. Und eine Revolution wird es in Deutschland nicht geben. Denn hier ist das Betreten des Rasens verboten. »Da helfen nur Gesetze, durch die den Prinzipien des Grundgesetzes Geltung verschafft wird«, meint der Autor. Ja, wie blauäugig kann man denn sein? Erstens ist das Grundgesetz unmittelbar geltendes Recht. Zweitens gibt es in Deutschland genug Gesetze. Es gibt auch Gesetze gegen Betrug, Computerbetrug, geschäftsmäßigen Betrug etc. Hat sich wer bei den VW-Softwaremanipulationen daran gestoßen? Hat da wer ermittelt? Selbst wenn man jemanden finden sollte, der solche Gesetze beschließt, was auch schon sehr zweifelhaft ist, so wird sich aber garantiert niemand finden, der sie anwendet oder durchsetzt. Hören Sie endlich auf, den Leuten falsche Erklärungen zu geben und falsche Hoffnungen zu machen, und nennen Sie diesen systematischen Mist beim richtigen Namen: imperialistisches, faulendes, parasitäres, sterbendes System.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.12.2017.