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Betr.: Artikel Die Stunde des Stieres

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Die Stunde des Stieres

Dank der Tore von Lautaro Martínez gewann Inter Mailand am Mittwoch gegen den AC Florenz das italienische Pokalfinale

Auch wenn man es nicht so erwartet hatte, ist es ganz klar die Saison der italienischen Teams. In allen drei europäischen Pokalwettbewerben stehen Vereine des aktuellen Europameisters in den Finals, vielleicht ein kleiner Trost für die Tifosi, deren Squadra Azzurra in der WM-Qualifikation für Katar in der Gruppe zunächst an der Schweiz, in den anschließenden Playoffs dann sogar an Balltretschwergewicht Nordmazedonien gescheitert war.

Kühlen Kopf bewahren

Immer wenn Italien mit La Nazionale mal etwas gewinnt, scheinen die Unterhosenmonster in einen nichtendenwollenden Siegestaumel zu verfallen. Als sie 1982 in Spanien in überragender Manier (drei Unentschieden in den drei Spielen der ersten Gruppenphase; danach wurde brav nur noch gewonnen) Weltmeister wurden, konnten sie in der anschließenden EM-Quali nur ein lausiges Spiel gewinnen – gegen Zypern. Arrivederci, Europa. Bei der WM in Mexiko schieden sie als Titelverteidiger diskret im Achtelfinale aus. Nach dem WM-Gewinn in Berlin 2006 wiederholte sich die Geschichte. Ausscheiden in der Europameisterschaft direkt nach der Gruppenphase. Bei der Kapholländer-WM war sogar sieglos als Gruppenletzter die Gruppenphase Endstation der Titelverteidigung. Danach wurde es schlimmer. Für die Russland-WM konnte sich Italien gar nicht erst qualifizieren. Man scheiterte in den Playoffs an Schweden. Das erste Mal seit sechzig Jahren fehlte Italien bei einer WM. Die heimische Presse titulierte das als »Apokalypse« und Gianluigi Buffon verlor seine 6. WM ... Mittlerweile weiß man in Italien gar nicht mehr, wie man WM schreibt, und wenn man beim DFB auch nicht dazulernt, kann man sich bald zusammentun.

Nun fand letzten Mittwoch im Olympiastadion von Rom das Finale der Coppa Italia zwischen Internazionale Milano und der ACF Fiorentina statt. Für beide auch eine Generalprobe für die anstehenden europäischen Finals. Florenz fordert am 7. Juni in Prag West Ham United heraus, Inter drei Tage später beim Champions League Final in Istanbul ManCity von Josep Guardiola. Bereits am 31. Mai messen sich in Budapest der FC Sevilla und die AS Roma.

Der vermeintliche Außenseiter aus Florenz war praktisch in allen Belangen überlegen, gar übermotiviert. Beide Teams kämpfen um ein Double ohne Meisterschaft. Nach zwei Spielminuten zeigte die Fiore Zähne und Klauen: Balldiebstahl, Monsterkonter und Argentiniens Nationalspieler Nico González schiebt den Ball am langen Pfosten durch zum 0:1 für die Violetten. Das drittschnellste Tor in einem Coppa-­Finale ever. Doch Inter reagierte darauf so, wie es ein Campione eben macht: kühlen Kopf bewahren. Mailand vertraute auf die eigenen Stärken. Die liegen im Offensivbereich und im geordneten Betriebsausflug, der Kontemplation. Anstellen in der Reihe und warten bis der Bus kommt. Der hieß diesmal Lautaro Martínez Express. Martínez, Spitzname »Stier«, kommt aus Bahía Blanca und ist Weltmeister. Nach einer halben Stunde knallte er als Resultat einer blitzschnellen Kombination das Runde im Sanktionsraum zum Ausgleich in die Maschen. Acht Minuten später war es wieder Lautaro, der mit einem Fastfallrückzieher das 2:1 für Inter besorgte. Seine Treffer 100 und 101 für Internazionale. Inter führte nur wegen Martínez.

Nach dem Wechsel stürmte nur noch die Fiore, doch Inter blieb hinten stabil und hatte das Glück gepachtet. Kein Wunder, der Klub ist (noch) das Spielzeug eines 31jährigen Chinesen (Milliardärssprössling Steven Zhang – jW). Angetrieben von Nico González versuchte Florenz, die gegnerischen Linien zu penetrieren, wo es ging. Sie richteten Schäden an wie bei einem Huracán, aber Internazionale knickte einfach nicht ein.

Keine Ernte

Der für Edin Dzeko eingewechselte Romelu Lukaku sorgte für entlastende Fastkonter. Als zwanzig Minuten vor Schluss der Serbe Luka Jovic den Marokkaner Sofyan Amrabat ersetzte, änderte sich die Dynamik des Spiels. Er machte die Inter-Innenverteidigung völlig verrückt, riss Räume auf, ein Feuerwerk. Jovic zeigte viel mehr als Lukaku. Aber er traf nicht (drei Hundertprozentige versemmelt), wie in seiner Zeit bei Real Madrid. Er sät Chaos, nicht mehr. Keine Ernte. Wer den ganzen Abend lang Maroni röstet und keine verkauft, ist auch ein Schulversager, sagen wir’s, wie’s ist. Ich habe kein Mitleid mit Jovic. Das Trikot muss schwitzen, aber schwitzen tun auch Alkoholiker. Der mailändische Widerstand hielt stand. Zweite Coppa am Faden, die neunte insgesamt (Platz zwo mit der Roma). Beide, Inter und die Fiorentina, werden ihre europäischen Finals gewinnen. Im Finale der Europa League tendiere ich letztlich zur Roma. Das bedeutete Unsterblichkeit für ihren Trainer José Mourinho in Italien. Und möglicherweise auch einen Job als dortiger Nationaltrainer.

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