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Leserbrief zum Artikel Debatte über Höhn-Papier: Dem Unfug ein Ende setzen vom 21.01.2021:

Linke Äquidistanz?

Verständlich, dass bei allem Meinungspluralismus, dem sich die Linkspartei verschrieben hat, immer deutlicher gereizter Unmut die Debatte über die Thesen von Matthias Höhn zu einer veränderten Sicherheitspolitik kennzeichnet. Trotzdem sollte man den in der Tat wenig ermutigenden Umstand, dass die seit Jahrzehnten festgefahrene, ja verschlechternde friedenspolitische internationale Situation einer der treibenden Anstöße für die Thesen Matthias Höhns ist, nicht einfach in den Skat drücken. Unterstellungen eventuell machtpolitischer persönlicher Ambitionen in Hinsicht auf die Vorschläge dieses Genossen sind wie so oft in der Geschichte der Debattenkultur bei den Linken absolut fehl am Platze. Wohl aber steht die fragwürdige Naivität einer erstaunlich EU-gläubigen Sicht auf die Welt der westlich dominierten internationalen Institutionen und Organisationen zur Debatte – sei es die NATO oder die UNO. Die Befolgung seiner Vorschläge allerdings wären nicht nur aus der Sicht der Linkspartei für ihre Mitglieder, Sympathisanten und darüber hinaus für alle Friedensbewegten eine Glaubwürdigkeitskatastrophe.
Einen Aspekt der unterbreiteten Überlegungen empfinde ich als besonders erschütternd: den Ruf nach Äquidistanz zwischen dem westlich imperialistischen Blocksystem und Russland. Schon während des Kalten Krieges im vorigen Jahrhundert gehörte es zur Methode der westlichen Massenmanipulation, mehr oder (meistens) weniger korrekt ausschließlich den jeweiligen Konflikt darzustellen. Nach dem scheinbar einleuchtenden Slogan: »Nur nackte Fakten – der andere Schmus interessiert nicht.« Die Konflikte und Spannungen von damals und heute haben aber alle ihre Vorgeschichte mit ihren spezifisch bedingten Entscheidungen und Konsequenzen. In dieser Hinsicht ist – um nur ein Beispiel des fragwürdigen von »Äquidistanz« getragenen Denkansatzes von Matthias Höhn anzuführen – ein Vergleich der Rüstungsausgaben, ohne den gravierenden geostrategischen Hintergrund (Einkreisung Russlands durch USA und NATO) als Erklärungsansatz zu bemühen, unvertretbar. Als ähnlich unfassbar empfinde ich den cowboyhaft abenteuerlichen Vergleich von Putin mit Trump oder Erdogan. Um nicht missverstanden zu werden: Meine Haltung zu manchen Fragen in Russland (das ja nun wahrlich auch zu einem kapitalistischer Staat geworden ist) und zu seinem Präsidenten (mit unverkennbaren Erscheinungen eines neuen, aber anderen Personenkults) ist kritisch. Mit dem Land und seinen Völkern fühle ich mich aber nach wie vor freundschaftlich verbunden. Und Putin betreibt – anders als seine »Amtskollegen« im Westen – eine auf militärische Entspannung gerichtete Politik. Zu Zeiten früherer Ost-West-Konfrontation gehörte zu den außenpolitischen Prioritäten die Stärkung der friedlichen Koexistenz unterschiedlicher gesellschaftlicher Systeme in den internationalen Beziehungen. Aber der Forderung nach friedlicher Koexistenz innerhalb imperialer Konkurrenz versucht die Außen- und Sicherheitspolitik des heute kapitalistischen Russlands mit dankenswerter Konsequenz zu folgen. Vielleicht doch noch einmal ein Anstoß für Matthias Höhn, seine sicherheitspolitischen Konzepte zu überdenken.
Prof. Dr. Gregor Putensen, Greifswald
Veröffentlicht in der jungen Welt am 27.01.2021.
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