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Leserbrief zum Artikel Ukraine: Waffenstillstand gefährdet vom 11.09.2020:

Genozidale Politik

Eines müsste noch klarer gesagt werden: Die Dürre auf der Krim künstlich zu verschärfen, indem auf die abtrünnige – oder, wenn man so will, »annektierte« – Halbinsel kein Wasser mehr geliefert wird, im Gegensatz zur bisherigen Lage, grenzt an Genozid. Dagegen darf sich die betroffene Bevölkerung notfalls mit Gewalt zur Wehr setzen! Aushungern wie »Ausdürsten«, also die Wasserzufuhr zu sperren, ist ein kriegerischer Akt! Denn es gibt kaum Alternativen: Meerwasserentsalzung in diesen Dimensionen ist bisher undenkbar, und auch eine Wasserleitung aus dem Kuban-Gebiet unter der Meerenge von Kertsch hindurch würde teuer und löst aktuell das Problem nicht.
Man versteht nun besser, warum Chruschtschow die Krim an die Ukraine anschließen ließ (nicht »verschenkt hat«). Denn das Wasserproblem gab es schon damals.
Aber es gibt noch einen anderen Weg zur Dürrebekämpfung auf der Krim – außer der (erneuten) Eroberung von »Nordtaurien« (also der Oblast Cherson) durch Russland, so wie 1783, 1920, 1944 – nämlich die im Abkommen »Minsk 2« festgelegte Föderalisierung der Ukraine.
Denn wenn sich die acht, mit Verlaub, »neurussländischen« Gebiete der Ukraine, die bisher bei jeder auch nur einigermaßen freien Wahl für einen »Russen« gestimmt haben (Charkow, Cherson, Dnepropetrowsk/Dnipro, Donezk, Lugansk, Nikolajew/Mikolajiw, Odessa, Saporoschje), sogar den charakterlich kaum geeigneten Janukowitsch, nur weil er eben kein ukrainischer Nationalist, sondern von der Russophonen-»Partei der Regionen« nominiert war, sich etwa so wie die beiden Teilstaaten Belgiens in Grenzen selbst regieren könnten, würden sie diese – um es zu wiederholen – genozidale Erpressungspolitik »Kiews« nicht mittragen. Wie auch den Pro-USA/NATO/EU-Kurs der derzeit dort Herrschenden (Selenskij macht da keine Ausnahme, auch wenn er als »zu schwach gegenüber dem Kreml« dargestellt wird). Deshalb die Ablehnung von »Minsk 2« durch die Ultranationalisten, das Gerede von einem »dritten Maidan« – es geht nur mit Gewalt, aus ihrer Sicht. Aber mit der US-amerikanischen bzw. westlichen Unterstützung im Kriegsfall »gegen die Russen« hat sich schon Georgien 2008 verkalkuliert.
Volker Wirth, Berlin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 15.09.2020.