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Leserbrief zum Artikel Indien: Modi überfordert vom 30.07.2020:

Schwierige Phase

Narendra Modis Bharatiya Janata Party (BJP) und die Zhōng Guó Gòng Chǎn Dǎng (Kommunistische Partei Chinas) sind die beiden größten Parteien der Welt. Beide haben um die 100 Millionen Mitglieder. Aber welche abgrundtiefen Unterschiede trennen beide. Die eine nennt sich Volkspartei, dürfte aber eher die Partei des großen Kapitals sein. Und die andere wurde im Kampf geboren und verlor Millionen ihrer Mitglieder auf den Schlachtfeldern des Bürgerkriegs und anschließend in Korea. Sie ist »rot-grün« und die Partei der Werktätigen Chinas. Als Covid-19 sich im Januar und Februar dieses Jahres zu einer großen Herausforderung der VR China entwickelte, mobilisierte die KP ihre Kader und das chinesische Volk schloss sich um sie zusammen. Das Nationalbewusstsein in China bekam Anfang des Jahres einen starken Schub. In Indien waren die beiden Wahlsiege Modis auf Bundesebene der Höhepunkt in der Mobilisierung der BJP. In ihren Reihen wirken Nationalisten, Diener des Großkapitals, Topmanager, und mehr als die Hälfte dürfte eher aus Opportunismus und Karrierismus in dieser eigentlich erst 40 Jahre alten Partei sein. Ob die Partei die kommenden harten sozialen Konflikte unbeschadet überstehen wird, ist noch eine offene Frage. Vorerst geht einiges durcheinander. Es ist weniger eine Führungsschwäche Modis als die ziemlich große Masse unterschiedlicher Interessen in dieser ideologisch nicht so tiefgründigen Partei, die nun angesichts der bedrohlichen Herausforderungen aufquillt. Covid-19 ist ja eigentlich nur die Vorstufe. Danach kommt die Wirtschaftskrise, die mit einem Kampf darum, wer die Kosten der Krise schultert, einhergehen wird. Die BJP ist eine Partei des Großkapitals. Das indische Großkapital entwickelte sich ab dem 19. Jahrhundert unter der englischen Kolonialherrschaft. Und ein Großteil dieses Kapitals ordnete sich den Interessen des Empires unter. Die Kämpfe und Massaker um die Teilung Indiens ab 1945 förderten einen dumpfen Hindunationalismus. Dieser wird weitgehend von der BJP vertreten. Fanatisch Religiöse und sehr rechte, bis an den faschistischen Rand heranreichende Kräfte betätigen sich in der BJP. Angesichts der in Indien sehr starken zentrifugalen Kräfte verstehen sich die BJP-Führer Narendra Modi und Amit Shah (beide aus Gujarat) als Förderer einer Einheitssprache Hindi und einer einheitlichen Hindureligion. Die BJP hat kein tiefgehendes Wirtschaftsprogramm, und um die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes werden vor allem innerhalb der BJP verschärfte Kämpfe ausbrechen. Die Versuche der USA, Indien als strategischen Partner zu gewinnen, dürften die internen Auseinandersetzungen in der BJP anheizen. Indien, Bharat oder Hindustan tritt in keine sehr einfache Periode seiner Entwicklung ein.
Achim Lippmann, Shenzhen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 30.07.2020.