Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Bildende Kunst: Genosse Monteurdada vom 03.04.2020:

Kämpferische Montagen

Ab und an werfe ich einen digitalen Blick in Ihre Zeitung, wenn ich mit über siebzig auch sicher nicht der Zielgruppe ihrer Leser angehöre. Sie ist eben eine junge und auch kämpferische Zeitung die nicht nur Tagesthemen kritisch und selbstbewusst angeht – das hält ja auch jung. Ein Artikel, den ich hier gefunden habe, hat mich sehr aufmerksam gemacht, weil ich ihn nur hier (ich gebe zu: zufällig) gefunden habe. Es ist der Hinweis, dass die Akademie der Künste am Pariser Platz in Berlin ein Ausstellungsprojekt hat, das nunmehr nur virtuell im Netz ablaufen kann. Das ist eigentlich sehr schade, denn die Fotomontagen von John Heartfield sind auf Papier und mit einer ausgefeilten Klebetechnik »montiert« worden. Aus dieser Zeit ab den 1920er Jahren resultiert auch der Begriff »Fotomontagen«. Und Papier muss man fühlen, nicht nur am Bildschirm sehen, das ist kein Genuss, eher nur Information. Ich selbst habe stets bewundert, wie John Heartfield es geschafft hat, dass eben »Millionen hinter mir stehen« – und genau zu sehen ist, welche Millionen da stehen. Und habe mich auch mit seinem Leben beschäftigt und festgestellt, dass solche Menschen wie er oder George Grosz nicht nur die, die sie in ihren Bildern bloßstellten, als Gegner hatten, sondern genau auch die Formalisten auf der anderen Seite, weil sie eben nicht die Formen verwandten, die gewünscht und gewohnt waren. Vielleicht war es auch die Angst davor, dass man als kleiner Mann verstand, was man eigentlich nicht verstehen sollte.
Vor vielen Jahren, als die Fotografie immer noch ein analoges chemisches Verfahren war, Bilder herzustellen, hatte ich im heimischen Bad einmal versucht, es diesem Mann nachzumachen, einfach mal fotoähnliche Bilder herzustellen, um eben eigene Bilder zu machen, die eine bildliche Aussage haben, die sich nicht allein aus der optischen Abbildung ergibt, sondern die direkter ist als die verstellte Gegenwart. Die Bilder dieses John Heartfield hatten es mir angetan. Der Versuch war erfolgreich, eine Lichtmontage nach etwa 50 Versuchen, und das bei den knappen Ressourcen, die man damals in Dresden hatte.
Der erkennbare Erfolg war dann auch Anlass, Jahre später umzusatteln in die digitale Welt der Fotografie, nachdem ich mich bereits seit 1984 mit grafischer Rechentechnik und CAD-Modellierung beschäftigt hatte. Und so begann ich vor etwa 20 Jahren erst mit einfachen Motiven, aber mit einem Gefühl für Ebenentechnik und Objekte digitaler Art, Bilder zu machen, die ich eben als Fotomontagen bezeichnete. Und auch die Themen beschränkten sich weniger auf Blümchen am heimischen Herd. Und noch in den letzten Jahren vor meinem Ruhestand habe ich einzelne Ausstellungen im kleinen Kreis oder auch im Betrieb (Hochtief) gemacht. Und es waren immer Montagen dabei, die zwar nicht in der offensichtlich kämpferischen direkten Art von John Heartfield, eher in der sublimen Form indirekter Zusammenhänge philosophischer Art ausgeführt sind. Es ist auch ein anderes Publikum zu betrachten als die Proletarier der zwanziger und dreißiger Jahre, obwohl auch heute der allgemeine Bildungsstand nur etwas anders in der Form ist als damals.
Deshalb würde ich es begrüßen, wenn diese Ausstellung, die bestimmt auch für die Zielgruppe ihrer Zeitung sehr reizvoll ist, auch stattfinden sollte.
J. Laufer, Mülheim a. d. Ruhr
Veröffentlicht in der jungen Welt am 04.04.2020.