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Leserbrief zum Artikel Prioritäten der Industrie: Hauptsache Spargel vom 23.03.2020:

Bundeswehr zur Ernte

Wie jedes Jahr sollten ausländische Billigarbeitskräfte von den deutschen Feldern das Frühgemüse wie Spargel, Rhabarber und Erdbeeren ernten. Die zyklische Krise des Kapitalismus wurde durch die Coronapandemie zeitlich beschleunigt und trifft die Agrarkonzerne in ihrem Profitstreben besonders hart. Wie üblich, setzt in solchen Situationen das Wehklagen der Agrarlobby mit ihrer Ressortleiterin Julia Klöckner ein, und man versucht, Ängste hinsichtlich der Lebensmittelversorgung zu schüren. Der Deutsche Bauernverband scheut sich nicht davor, von den Regierenden gegen den gesunden Menschenverstand die Anreise ausländischer Billigarbeitskräfte einzufordern. Im gleichen Kontext machen die Agrarverbände den Vorschlag, die regulären Arbeitszeiten trotz der körperlich anstrengenden Arbeiten auf zwölf Stunden täglich auszudehnen. Und wenn schon nicht ausländische Billigarbeitskräfte zu haben sind, dann soll verfügt werden, dass Erwerbslose und auch Asylbewerber herangezogen werden, um Kapitalausfälle zu minimieren. Hinter dem Gejammer der zu sichernden Lebensmittelversorgung stehen nicht die Interessen der Bevölkerung oder gar wie so oft die angebliche Sicherung von Arbeitsplätzen, sondern einzig und allein die Kapitalinteressen der Besitzenden. Da stört es selbige auch nicht, wenn es eine weitere Zunahme der Virusinfektionen und der Gesundheitsgefährdung der arbeitenden Menschen gibt. Wie im kapitalistischen System üblich, gilt der Mensch nichts, nur seine Arbeitskraft wird sich dienlich gemacht. Von so manchem in dieser Gesellschaft wird aufgrund des derzeitigen Lebensstandards vergessen, dass Ausbeutung nicht abgeschafft wurde, sondern auf einem anderen hohen Niveau fortgeführt wird. Plötzlich redet man seitens der Herrschenden wieder von Solidarität unter den Menschen, um zu kaschieren, dass es in dieser Gesellschaft gewollt ist, dass jeder sich selbst der Nächste ist. Dort, wo Geld/Kapital regiert, haben Mitgefühl und Menschlichkeit keinen Platz. Es sei denn, man braucht sie zeitweilig wie in gegenwärtiger Krisensituation zur Vertuschung einer Gesundheitspolitik, die einer Kommerzialisierung der Gesundheitsvorsorge den Vorrang gibt.
Mein Vorschlag an die Agrarkonzerne lautet: Zur Ernte des Frühgemüses sollte an die Regierenden der Antrag gestellt werden, die Soldaten und Offiziere der Bundeswehr auf die Felder zu schicken und die Versorgung zu sichern. Das wäre ein sinnvoller friedlicher Einsatz der latenten Krieger, deren Einsatz im Innern der Republik ich in diesem falle mit Freude zustimmen könnte.
Peter Meißner
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.03.2020.