junge Welt: Jetzt am Kiosk!
Gegründet 1947 Dienstag, 7. Mai 2024, Nr. 106
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
junge Welt: Jetzt am Kiosk! junge Welt: Jetzt am Kiosk!
junge Welt: Jetzt am Kiosk!

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Evangelische Kirche in Sachsen: Rechter Bischof geht vom 16.10.2019:

Geschichtsvergessenheit

Protestantische Theologie fußt auf der Bibel. Die Bibel ist eine Büchersammlung, die viele teils sehr unterschiedliche und widersprüchliche Traditionen, Ansichten und Aussagen vereint, die offen für vielfältige Interpretationen sind. Was aus ihr herausgelesen wird und was dabei als wichtig erachtet wird, sagt manchmal mehr über den Ausleger aus als über das Ausgelegte. Falls in ihr Offenbarungswissen enthalten sein sollte, ist es durch die völlig menschliche Darstellungsform als solches nicht mehr eindeutig erkennbar. Und etwas Zweideutiges kann bestenfalls konsultarischen, nie aber normativen Wert haben. Theologie »nach Auschwitz« (Hans Jonas) sieht den Gottesgedanken in Frage gestellt. Sie muss aber auch sich selbst in Frage gestellt sehen. Die Auslegungs- und Theologiegeschichte resultierte nicht selten in einer finsteren Wirkungsgeschichte (Antijudaismus; völkisches Denken bei den »Deutschen Christen«; vgl. »Die Kriminalgeschichte des Christentums« von Karlheinz Deschner). Heute geschichtsvergessen die unter größten Mühen und Opfern erkämpften zivilisatorischen Errungenschaften wie Demokratie, Menschen- und Minderheitenrechte als »unprotestantisch« abzuweisen, das bereitet der nächsten Barbarei den Weg.
Joel Klink, Göttingen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.10.2019.