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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Wahlen in Sachsen: Stimmengewinne für Rechte vom 29.05.2019:

Warum nicht Die Linke?

Sachsen und das ganze Land hat das Vor- und Nachwahlfieber erfasst. Haben die Wahlen wirklich Kräfteverhältnisse verschoben oder nur die täuschenden politischen Farbgebungen? Bilanz und Vorschau der Ergebnisse in Sachsen konnte Rico Gebhardt als Gastredner bei Rotfuchs/DKP/Leserkreis jW und BDA-VVN in Zwickau nicht in rosigen und zukunftshoffenden Farben malen. Viele Fragen, unbequeme, kritische und wenig klare Antworten prägten die Diskussion. Hier und da ein zählbarer Hoffnungsschimmer ändert nichts am Rechtstrend, an Verlusten bei CDU, SPD und zugleich bei Die Linke. Einigermaßen ratlos sehen sie der Möglichkeit entgegen, dass Sachsen im September die erste AfD-Regierung bekommt. Bei den Wählern die Schuld zu suchen ist zu einfach. Für CDU und SPD sowieso, die das rechte Potential seit Jahren fleißig selbst schaffen und sich nur scheinbar gegen rechts positionieren. Was ist mit der Linken? Alle mediale Macht steht gegen sie. Alles andere wäre zum Wundern. Antikommunismus tut sein Werk. Die DDR dient nach 30 Jahren noch bestens dafür. Der erste Satz des Kommunistischen Manifests ist tagesaktuell. Drei Jahrzehnte entschuldigen, Unrechtsstaat beteuern, Selbstverleugnung, Regierungsfähigkeit versichern samt angeblich freien, demokratischen und unzählbaren Wahlgängen. Welche Erfolge hat es gebracht? Wie wäre es mal damit, den heutigen Generationen das Links- oder Rechtssein am Inhalt klarzumachen, auseinanderzuhalten, was zusehends schwieriger ist? Wie wäre es endlich mal, vor »bösen, verbotenen Begriffen« nicht zurückzuschrecken, sie auszusprechen, zu erklären, nicht der Gefallsucht zu opfern? Was haben die meisten AfD- und Rechtswähler mit rechts zu tun, oft empfinden sie sich als typisch unpolitisch, wählen in politischen Wahnsinnszeiten »Heimat, Vaterland, Volk« und gegen alles »bedrohende Fremde«. Soziale Themen interessierten Wähler kaum, meint Gebhardt. Stehen aber nicht gerade dahinter soziale Sorgen, Ängste vor Krieg u. v. m.? Was nützt es, sich als einzige Friedenskraft zu loben, aber genau das nicht an klarer Haltung zu Russland, Venezuela, Bundeswehr oder auch zu Israel und Antisemitismus deutlich zu machen?
Warum greift die Linke nicht auf, was Regierende an Protesten aus der Jugend gerade aufbringt und undemokratisch reagieren lässt? Warum stellt ein junger SPDler die Eigentumsfrage mal grundsätzlich und nicht Die Linke? Von Wohnungsmarkt spricht auch die Linke, aber warum nicht vom Menschenrecht auf Wohnung oder Gesundheit usw.?
Statt dessen frohlocken einige bereits mit Rot-Rot-Grün und leben entweder in dem Wahn, in dieser Koalition gegen SPD und Grüne die Ziele vorzugeben, oder es geht um Teihabe an der Macht. Die Linke ist unser natürlicher Verbündeter, viele in der Partei stehen auf marxistischem Boden, trotz Orientierungslosigkeit. Solidarischer Umgang ist der gegenseitigen Ausgrenzung noch vorzuziehen. Wenn SPD, Grüne und Linke vielleicht gemeinsam noch als Retter des Kapitalismus auf die Bühne treten, dann braucht es neue Überlegung.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.06.2019.