Leserbrief zum Artikel Politisches Lied: »Marx und Engels erklären mir, was heute passiert«
vom 04.05.2019:
Völkerverbindend
Über dieses Interview habe ich mich sehr gefreut. »Die Anti-AKW-Bewegung war eine singende Bewegung«, sagt Aernschd Born. So war es in der Tat! Ich hörte ihn vor dem Haupteingang des AKWs Fessenheim, des ältesten AKWs Frankreichs, zur Gitarre sein »Informationslied« »D’Ballade vo Kaiseraugscht« singen vor uns Umweltschützern. Als weitere Zuhörer waren grimmig dreinblickende Männer der berüchtigten CRS-Truppe zum Schutz der beiden Atommeiler dabei, und Wachhunde bellten hinterm Stacheldraht zum Gesang. Wir Südbadener waren auch bei der erfolgreichen Besetzung des Schweizer AKW-Bauplatzes in Kaiseraugst bei Basel dabei, dem Born die »Ballade« gewidmet hatte. Bei dem Kampf in unserer Region gegen umweltfeindliche Industrieprojekte spielten unzählige Kampflieder zahlreicher Liedermacher eine wichtige Rolle. Sie machten Mut, trugen zur Aufklärung bei und brachten musikalisch die Stimmung der Menschen, die sich engagierten, zum Ausdruck. Und sie wirkten völkerverbindend, ganz besonders zwischen uns Deutschen und unseren französischen Nachbarn. Zum Beispiel François Brumbt, Strasbourg: »Wir werfen einmal die Grenze über den Haufen und tanzen drum herum!« (»Mir kejje mol d’Granze üewer Hüffe un tanze drum erum!« Oder Walter Mossmann in alemannischem Dialekt, übersetzt nicht immer reimend: »Komm rüber in den Wyhler Wald (über die Rheinbrücke), komm über die Brücke, Wir trinken im Freundschaftshaus noch einen Schluck. Bauern, Frauen, Studenten sind dabei. Wir schwätzen (reden) und besetzen und geh’n nicht in die Knie. Im letzten Jahr hast du noch gedacht, die Deutschen sind verkehrt (falsch, unberechenbar, ›lätz‹), die kommen mit Kanonen nach Strasbourg und nach Metz. Deutsche bleiben Deutsche, ›Sieg heil‹ und ›gute Nacht‹, Deutsche sind aus Uniform und genagelten Stiefeln gemacht. Refrain: Heute ist’s wie verwandelt, wir haben angebandelt, wir kämpfen mitienander fürs Leben. Beim Kämpfen haben wir gelernt, dass das Volk zusammengehört. Sonst verrecken hier nicht nur die Reben.« (…) Die Texte stehen in Wyhler Liederbüchlein, sie werden »transportiert« mit emotional bewegenden Melodien. Ich habe übrigens auf allen hiesigen besetzten Plätzen und auch anderswo, wo »Bewegung« war, mit meiner Acht-Millimeter-Amateurfilm-Kamera einige Stunden gefilmt, woraus die Freiburger Medienwerkstatt (bekannt: »Didi« Danquart, Filmemacher) 18 Minuten, teilweise mit Liedern unterlegt, für den Wyhl-Klassiker-Film »S’Weschpennest« verwendete. Das Wespennest, das unserem »Landesvater« Filbinger Stiche austeilte. »Wird Wyhl nicht gebaut, gehen die Lichter aus!« (Zitat Filbinger)