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Leserbrief zum Artikel Wohlfühlen am Koningsdag: Agreement mit Untertanen vom 25.04.2019:

Staatstragendes Brimborium

Der Beitrag wirft mehr Fragen auf, als er beantworten kann. Er lässt sich auch meines Erachtens zu sehr auf das ganze »Gewese« um diesen Hof ein. Hat der Autor die erwähnte »Belohnung« für Wohlverhalten gegenüber dem »Koning« und den »Prinsen und Prinsesjes« bekommen? Aber wieso konnte aus der »Republiek der Zeven Verenigte Provincien« überhaupt ein (wenn auch »bürgerliches« und bürgernahes) Königreich werden? Sah die Handelsbourgeoisie, sahen die »Pfeffersäcke« von Amster- und Rotterdam, Utrecht usw. keinen anderen Weg des nationalstaatlichen Überlebens in einem damals noch feudal geprägten Europa?
Aber: Schlägt nicht gerade heute die mit Händen zu greifende Ungleichheit der Bewohner – einerseits der Untertanen, andererseits der großen »Koninglijk familie« – den angeblich von der französischen Revolution von 1789 in die gesamte EU überkommenen Prinzipien der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mitten ins Gesicht? (Die Franzosen köpften »ihren« früheren König, als er gegen die revolutionäre Macht konspirierte – schon vergessen?)
Und warum empfinden das die Bürger dieser sieben Länder oder wenigstens die ihrer republikanischen »Mit-EU-Länder« nicht?
In Indien, bekanntlich ein »plurinationaler Staat«, aber eine Republik (was ja manche für die EU anstreben) sind unter Nehru die »Fürstenstaaten«, wenn auch gegen hohe Abfindungen an die Radschas und Maharadschas, abgeschafft worden – in Westeuropa aber hat offenbar niemand, nicht einmal die Linke, mit den feudal-antidemokratischen Überresten in den sieben EU-Ländern irgendwelche Probleme – wie ist das nur möglich? Von der Utopie einer »Republik Europa« mal ganz abgesehen! (Soll es etwa in ihr Monarchien geben wie die spanische, die direkt aus dem Franco-Putsch gegen die Republik hervorgegangen ist? Ist nicht eher eine »Föderation europäischer Republiken« anzustreben?)
Last but not least kosten diese feinen Leute, die sich »die Mühe gemacht« haben, als Royals »geboren zu sein«, die Völker erhebliche Summen! Aber dieser Teil des Mehrwerts wird den »Blaublütigen« offenbar gern zugebilligt, wegen all des staatstragenden Brimboriums, das damit verbunden ist. Und um das nicht zu vergessen: Der wurde großenteils aus den Kolonien bzw. nun aus den halbkolonial-abhängigen »Dritte-Welt-Ländern« beschafft! Nicht so sehr durch die Ausbeutung der »eigenen« Proletarier! (Für Großbritannien und Belgien gilt das wohl ebenfalls.)
Volker Wirth, Berlin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.04.2019.