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Leserbrief zum Artikel Rechtsaußen: Völkische Mobilmachung vom 01.09.2018:

Dilemma der Linken

Ich lese seit längerem Ihre Zeitung im Wochenendabo, weil ich der Meinung bin, dass diese das einzige wirklich gesellschaftlich progressive Blatt ist. Ihr merkt sicher zunächst, dass ich das Wort links dabei vermeide. Unabhängig von den zu diskutierenden Ereignissen bin ich nämlich der Auffassung, dass die Unterscheidung in »rechts« und »links«, die ja eigentlich aus dem bürgerlichen Parlamentarismus stammt, nicht mehr geeignet ist, gesellschaftliche Strömungen treffend zu charakterisieren. Das begann bereits mit der Entscheidung der damaligen PDS, sich in Linkspartei umzubenennen, womit man m. E. der bürgerlichen Extremismustheorie, wie bspw. durch Jesse an der TU Chemnitz vertreten und gelehrt, Raum gegeben hat. Mir geht es hier aber speziell um die Beiträge von Jelpke und Bartl in der aktuellen Wochenendausgabe, die deutlich zeigen, wieso die Rechte in Deutschland auf dem Vormarsch ist. Besonders bei der Betrachtung der Situation in Sachsen wird zunächst generell vergessen, dass die alte Bundesrepublik von Altnazis aufgebaut wurde, deren Geist nie ausgerottet worden ist. Wenn jetzt Sachsen immer wieder ins Visier genommen wird, dann wird ebenso geflissentlich außer acht gelassen, dass dort die Restauration des »Völkischen« (Jelpke) zwar wegen der prekären Situation großer Bevölkerungsteile auf fruchtbaren Boden fällt, keineswegs aber ein spezifisches sächsisches Problem ist, sondern ausschließlich Folge der Prekarisierung weiter Teile des Volkes. Das Hauptdilemma bei allem ist doch die sogenannte Linke selbst, die sich zwar oft in markigen Sprüchen ergeht (»Bildung einer nationale befreiten Zone« – Jelpke, »Jagdszenen« – Bartl usw.), selbst aber für die Menschen in der täglichen politischen Arbeit definitiv nichts zu bieten hat. Bestes (nichtsächsisches) Beispiel hierfür ist die »rot-rot-grüne« Thüringer Landesregierung, die die Verarmungspolitik der CDU-Vorgängerregierung gegenüber den Gemeinden nahtlos fortgesetzt hat, die nicht in der Lage war, die die Menschen belastenden unsinnigen Straßenausbaubeiträge abzuschaffen usw. Folge wird im nächsten Jahr eine gnadenlose Bauchlandung bei der anstehenden Landtagswahl sein, so wie in diesem Jahr auch die Linke-Landrätin im Altenburger Land, Frau Sojka, jämmerlich gescheitert ist. Was also erscheint vielen einfachen Menschen noch als sinnvoll? Die Hinwendung zur etablierten Politik scheint es nicht zu sein, siehe oben, also geht’s wieder zu den braunen Rattenfängern. Solange die als Linke bezeichneten Kräfte nicht begreifen, dass die gebetsmühlenartig praktizierten Gegendemos genau das Gegenteil von dem erzeugen, was beabsichtigt ist, wird sich nichts ändern. Reflexartig gegen jede Demo der sogenannten Rechten eine Gegendemo zu organisieren, verschafft denen einerseits Aufmerksamkeit, die vermieden werden könnte, und stellt die progressiven Kräfte automatisch in das Lager des Establishments. Denn zur Gegendemo findet man sich dann zusammen mit den Regierenden, die dann eben auch mal auf die Straße gehen, und was ist denn das? Ihr zitiert in der aktuellen Ausgabe Karl Marx, wie der sagt: »Je mehr eine herrschende Klasse fähig ist, die bedeutendsten Männer der beherrschten Klasse in sich aufzunehmen, desto solider und gefährlicher ist ihre Herrschaft.« Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
Jürgen Keller, Schmölln
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.09.2018.
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