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Leserbrief zum Artikel Spanischer Krieg: Das letzte Aufgebot vom 24.07.2018:

Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung

Mit großem Interesse habe ich diesen Beitrag gelesen. Ich habe über 25jährige enge Beziehungen zu Katalonien und interessiere mich daher sehr für diese Geschichte.
Allerdings muss ich zu diesem Beitrag – der zweifellos brillant geschrieben ist – sagen, dass diese Schlacht am Ebro von Enrique Líster, aber auch von Ludwig Renn (Vieth von Golßenau) und anderen Zeitzeugen – nachzulesen in »Brigada Internacional« 1 und 2, zusammengetragen von Hanns Maaßen – etwas anders gesehen wird. Soweit ich weiß, schreibt sich Edgar André mit »d« und nicht mit »t«.
Ludwig Renn hielt sich zum Zeitpunkt des Beginns der Offensive in Cambrils auf und bildete dort Kommandeure aus. Die Vorbereitung der Offensive war streng geheim, und ja, die faschistischen Truppen waren überrascht. Insgesamt war die Überschreitung des Ebro durch eine ganze Armee eine weltweit beachtete militärische Leistung.
Líster schreibt: »Die Monate Mai, Juni und Juli waren Monate intensiver Arbeit. Sobald wir erkannten, dass der Gegner in Richtung Levante angriff, wussten wir, dass wir nicht mehr lange am linken Ebro-Ufer bleiben würden …«
Die Offensive wurde akribisch geplant, und als der Termin näherrückte, war alles vorbereitet: die Truppen in den Aufstellungsräumen, die Artillerie in ihren Feuerstellungen, Boote waren vorhanden, Brücken vorgefertigt, das alles, ohne dass der Gegner etwas bemerkte.
In dieser Zeit hielt Dr. Negrín eine Parlamentsrede und legte 13 Punkte über die Ziele des Krieges dar. Dr. Negrín übrigens war ein Sozialist, eher dem rechten Lager zuzuschreiben, er war Unternehmer und wohlhabend. Im Kabinett waren gerade mal zwei Minister von der Kommunistischen Partei. Es war eben die Volksfrontregierung aus Sozialisten, Anarchisten und Kommunisten. Am 5. April hatte Dr. Negrín auch das Ministerium für Verteidigung übernommen, das vorher von Prieto geleitet worden war.
Am 25. Juni endete die erste Phase. Die Aufgabe, den faschistischen Brückenkopf bei Balaguer zu erobern, scheiterte. Líster begründete das mit Fehlern des Chefs des XVIII. Armeekorps (José del Barrio). Er hätte im Norden oder Süden operieren müssen, anstatt die stark ausgebauten Verteidigungsstellungen frontal anzugreifen.
Ende Juni wurde Líster in den Stab zu Rojo gerufen. Dort wurden zwei neue Pläne besprochen, die im Grunde die gleichen waren, nämlich die Levante-Front zu entlasten, um den dort operierenden Einheiten »Luft« für eine Reorganisierung zu verschaffen. Es wurde entschieden, dass die Ebro-Armee mit zwei Gruppierungen an der Front von Ribarroja bis Benifallet angreift. Die im Artikel beschriebene Offensive bei Amposta war eine Scheinoffensive, um den Gegner vom Hauptziel abzulenken. Im Süden von Tortosa forcierte die XIV. Internationale Brigade mit ihrem 1. Bataillon »Commune de Paris« den Ebro. Bei diesen Kämpfen verlor die XIV. Internationale Brigade 60 Prozent ihrer Kämpfer. Sie zog sich nach einem Tag tapferen Widerstands in ihre Ausgangsstellungen zurück. Dieses Bataillon wurde von der Regierung mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet.
Gegen Ende des Nachmittags des 25. Juli hatte das V. Armeekorps Mora de Ebro eingeschlossen –und am nächsten Tag Miravet, Benisanett und Pinell genommen sowie die Sierra de Pandols und die Sierra de Caballs besetzt. Am 26. Juli überquerten die ersten Panzer und Artillerieeinheiten den Fluss. Am Ebro setzte die faschistische Luftwaffe erstmalig Sturzkampfflugzeuge zum Abwurf großkalibriger Bomben ein. Mit kämpferischem Mut glichen die republikanischen Piloten die Übermacht aus.
Der faschistische General Barrón schrieb am 25. Juli, als er mit seiner 13. Division am Ebro eintraf: »Die Lage ist sehr heikel; der Feind ist wie eine Lawine hereingebrochen, die auf ihrem Wege alles niederrollt, er ist an einem einzigen Tag 20 Kilometer tief eingedrungen und droht, unsere Verbindungen mit Tortosa und die von Zaragoza nach Castellón über Alcañiz abzuschneiden. Mutlosigkeit greift um sich …«
Die Gegenoffensive der Faschisten um die Sierra Pandols wurde von der 11. Republikanischen Division abgewiesen.
Am 20. August wieder eine großangelegte faschistische Offensive, die mit deren Niederlage endete.
Am Ende, als sich die Ebro-Armee wieder in ihren Ausgangsstellungen befand, gibt Líster die Zahl der Toten auf republikanischer Seite mit 50.000 an, und ein italienischer Journalist beziffert die Verluste bei den Faschisten auf 145.000 Mann.
Insgesamt hatte die spanische Volksarmee drei große Siege errungen. Dass die Republik verlor, lag nicht nur allein an dem Embargo des sogenannten Völkerbundes, sondern auch an eigenen Fehlern, mit denen Líster streng ins Gericht geht. Am Ende stand, nach dem Verlust von Katalonien, noch immer eine Streitmacht von 500.000 republikanischen Soldaten zur Verfügung. Hätten diese eine Entlastungsoffensive gestartet, wäre der Verlust Kataloniens eher unwahrscheinlich gewesen. Die Republik ging mit dem Verrat Casados unter, der sich dann mit einem englischen Kriegsschiff unbehelligt absetzen konnte.
Ich bitte darum, diesen Kampf nicht so negativ zu beschreiben. Es handelte sich um eine aus demokratischen Wahlen hervorgegangene legitime Regierung (…), die Menschen kämpften um ihre Freiheit und ihr Selbstbestimmungsrecht und setzten sich gegen reguläre italienische Truppen, die deutsche Wehrmacht sowie portugiesische Truppen, Fremdenlegionäre und marokkanischen Söldnern zur Wehr.
Sie hatten alles Recht der Welt und eine weitaus überlegene Kampfmoral. Líster misst den Internationalen, die aus 60 Ländern der Welt herbeigeeilt waren, um an der Seite des spanischen Volkes zu kämpfen, nicht so die große Bedeutung bei. Dem mag ich nicht ganz folgen. Jedenfalls war die Parade der Internationalen, etwa 13.000 Mann, nach ihrem Abzug durch Barcelona von gewaltigen Sympathiebekundungen der Bevölkerung begleitet, die selbst die internationalen Militärkommission des Völkerbundes erheblich beeindruckten.
Nur durch nochmalige großangelegte Waffenlieferungen aus Deutschland und Italien konnte eine Niederlage der Franco-Truppen insgesamt verhindert werden. (…)
Hans Beimler, in Madrid gefallen, ist in katalanischer Erde, nämlich in Barcelona, beerdigt.
Ich habe dazu soviel Material und könnte dazu soviel sagen. Darum musste ich mich hier zu Wort melden.
Rainer Hesse
Veröffentlicht in der jungen Welt am 25.07.2018.