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Leserbrief zum Artikel DDR-Geschichte: Das andere 1968 vom 22.03.2018:

Nie bereut

Ich habe die zweite und dritte Hochschulreform hautnah miterlebt und kann die Notwendigkeit dieser Reformen nur bestätigen. Ab 1949 habe ich Geschichte an der Humboldt-Universität (HUB) studiert, wollte Prähistoriker werden und konzentrierte mich ab 1951 auf die Vorlesungen über die Vor- und Frühgeschichte. In dieser Zeit sollte der Dekan der Philosophischen Fakultät Überblicksvorlesungen von Ausgang des Mittelalters bis in die neueste Zeit halten. Da sein Spezialgebiet das 18. Jahrhundert war, erlebte ich zwar innerhalb von zwei Semestern, wie er den Tod Friedrichs II. mit ergreifenden Worten schilderte, die Französische Revolution von 1789 schwerpunktmäßig und detailliert behandelte, darüber aber nie hinauskam. Anfang 1952 wurde das Museum für deutsche Geschichte (MfdG) gegründet, man war insbesondere um wissenschaftliche Mitarbeiter aus der HUB bemüht. Da mich die Kombination von wissenschaftlicher und praktischer Arbeit interessierte, bewarb ich mich für die Abteilung Ur- und Frühgeschichte. Ich landete in der Abteilung Imperialismus – 1871 bis 1945. In den ersten fachlichen Diskussionen verstand ich »Bahnhof« und wandte mich deshalb an meinen ersten Abteilungsleiter, den Oberst der Sowjetarmee Prof. Dr. Victor Stern, und bat darum, mich in Gnaden zur Beendigung meines Studiums zu entlassen, weil ich ja wohl kaum zur Verwirklichung der Aufgabenstellung beitragen könne. »Nun mal langsam«, war die Antwort, und er drückte mir eine Broschüre in die Hand, in der die Zeit von der Reichsgründung bis zur Novemberrevolution behandelt wurde. Wenigstens verstand ich etwas davon, wenn von den Wahlrechtskämpfen in Sachsen, den Massenstreikdebatten und den von Eduard Bernstein angeregten revisionistischen Bestrebungen in der Sozialdemokratie die Rede war. Als ich dann die erste Frage stellte, sagte General Stern nur noch: »Na bitte.« Aus dem vorgesehenen einen Jahr am MfdG wurden dann zehn. Die dritte Hochschulreform erlebte ich dann als Mitarbeiter im Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Da waren der Minister, seine Stellvertreter und viele Mitarbeiter des Ministeriums bemüht, an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen dem Lehrkörper, den wissenschaftlichen Mitarbeitern und den Studenten Sinn und Inhalt der Hochschulreform zu erläutern, kritische Hinweise und erste Erfahrungen aufzunehmen, die dann durch das gegenseitige Nehmen und Geben durchaus zu Verbesserungen für die weitere Entwicklung von Forschung, Lehre und Studium beigetragen haben. Ich habe meine Tätigkeit im Museum und im Ministerium nie bereut.
Dedo Staubesand, Berlin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 04.04.2018.