Leserbrief zum Artikel Konferenz: Tribunal gegen Verleumder
vom 12.02.2018:
Grundrecht eingeschränkt
Aus Münchner Sicht kann sich das »Projekt Kritische Aufklärung« noch glücklich schätzen, weil es für seine Konferenz unter dem Titel »Zur Zeit der Verleumder« in einem türkischen Schauspielhaus unterkommen konnte. In München fehlt eine entsprechende Einrichtung. Gruppen wie z. B. die »Jüdisch-palästinensische Dialoggruppe« sind auf Räume angewiesen, die sich im Eigentum der Stadt befinden. Und deren »Groko« hat im Dezember im Stadtrat bei wenigen Gegenstimmen eine »Grundhaltung« beschlossen, mit deren »konsequenter und konkreter Umsetzung« die Stadtverwaltung und ihre Eigenbetriebe beauftragt wurden. Raumvergaben bzw. Vermietungen (…) müssen danach auf deren Übereinstimmung mit dieser Grundsatzposition überprüft werden. Inhalt der »Grundhaltung« ist, »dass die Landeshauptstadt München ihre Solidarität mit dem Staat Israel bekundet, Antisemitismus auf das schärfste verurteilt und sich als Folge gegen die antisemitische Kampagne ›Boycott, Divestment and Sanctions‹ (BDS) stellt«. Kritik an der Politik Israels, der Widerstand der Palästinenser mit friedlichen Mitteln, die Einforderung der Menschenrechte auch für sie, all das wird danach als antisemitisch denunziert. Der Bann traf bereits in der Vergangenheit Referenten und Künstler jüdischer Abstammung. Die Einschüchterung geht soweit, dass selbst ein Kinobetreiber um seine Existenz bangen muss, wenn er – wie kürzlich – den Kinosaal für eine Preisverleihung an eine in Jerusalem geborene Kritikerin der israelischen Politik öffnet. Diese Entwicklung stellt eine erstrangige Bedrohung für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und für das gesamte Grundgesetz dar. Ich hoffe sehr, dass die junge Welt bei der Verteidigung der Grundrechte eine herausragende Rolle spielt.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.02.2018.