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Leserbrief zum Artikel Schwung holen mit ESM vom 17.07.2012:

Politische Macht als Kapital

Sehr treffend analyisiert Hannes Hofbauer, wie in der jetzigen Krise die Kapitalvertreter unmittelbar, in Form der EU-Bürokratie und der EU-Finanzorganisationen, die politische Macht an sich reißen. So wird politische Macht selbst unmittelbar zu Kapital: Wer die Entscheidungsgewalt über die EU-Finanzinstrumente hat, kann ein negatives Geschäftsergebnis der Banken seines Landes ein gutes Stück revidieren. Das Platzen der eigenen Finanzblase wird dadurch hinausgezögert, dass anderen die roten Zahlen der Bilanzen aufgedrückt werden und man sich selbst die Forderungen gegen sie als schwarze Zahlen notiert. Die politische Macht über die EU-Zentralbank und die EU-Finanzinstitutionen entscheidet in der jetzigen Lage ganz erheblich mit darüber, wer in welchem Umfang noch als zahlungsfähig gilt. Der Kampf um die politische Macht ist die Verlaufsform, wie das Kapital (bzw. seine Fraktionen) einen Ausweg aus der Krise sucht.
Dieser Ausweg enthält allerdings gravierende Widersprüche, die er immer weiter zuspitzt. Um das Kapital zu retten, werden die Prinzipien des Kapitals ein Stück weit außer Kraft gesetzt. Das Prinzip, dass jedes Wirtschaften auf Euro und Cent genau abzurechnen ist und sich der Gewinn aus den Einnahmen minus der Ausgaben ergibt, gilt für die großen Banken und Finanzinstitutionen nicht mehr. Wenn die Einnahmen ausbleiben, steht das Minus nicht fest, sondern kann durch Zugriff auf öffentliche Gelder wieder ausgeglichen werden. Dies ist ein Raub an Löhnen, Sozialleistungen und öffentlichem Eigentum, aber auch eine Umverteilung innerhalb der besitzenden Klasse hin zu den wenigen großen Finanzmonopolen. Diese gewaltsame Enteignung soll den ausbleibenden Geschäftserfolg kompensieren. Ein Vorhaben, das die kapitalistische Konkurrenz auf eine neue, aggressive Entwicklungsstufe hebt.
Markus Harder