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Aus: Ausgabe vom 17.02.2024, Seite 4 / Inland
Münchner Sicherheitskonferenz

Waffenschieber unter Polizeischutz

Münchner »Sicherheitskonferenz« eröffnet. UN-Generalsekretär warnt vor israelischer Offensive gegen Rafah. Proteste angekündigt
Von Nick Brauns, München
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Zutritt nur für Auserwählte: Eingang zum Bayerischen Hof in München (15.2.2024)

Die Kriege im Nahen Osten und der Ukraine sowie die Zukunft der NATO-Kriegsallianz nach einem möglichen Sieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl am 5. November, sind die großen Themen auf der am Freitag mittag in der bayerischen Landeshauptstadt eröffneten dreitägigen 60. Münchner »Sicherheitskonferenz« (MSK). Rund 180 Regierungsvertreter aus aller Welt, hochrangige Militärs, vor allem aus den Staaten der NATO und ihrer Verbündeten, dazu Waffenhändler und Rüstungslobbyisten, haben sich im Luxushotel Bayerischer Hof versammelt.

Neben Bundeskanzler Olaf Scholz und mehreren Ministern nehmen etwa US-Vizepräsidentin Kamala Harris, Israels Präsident Isaac Herzog, aber auch Vertreter der palästinensischen Nationalbehörde und anderer arabischer Staaten sowie erstmals persönlich der um weitere Waffenhilfe für sein Land im NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland buhlende ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij teil.

Auch der türkische Außenminister Hakan Fidan, zuvor als Geheimdienstchef Waffenlieferant des »Islamischen Staates«, hat sein Kommen angekündigt. Zwar ist die Volksrepublik China mit Außenminister Wang Yi vertreten, doch während der MSK-Vorsitzende, der Diplomat Christoph Heusgen, das Motto der Konferenz »Frieden durch Dialog« betont, sind mit Russland und Iran zentrale Kontrahenten des Westens nicht eingeladen. Unerwünscht sind zudem Vertreter der AfD und des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), also der beiden Parteien, die sich – aus unterschiedlichen Motiven – für einen Dialog mit Russland stark machen.

Die diesjährige Eröffnungsrede zur MSK hielt António Guterres. Diese Wahl dürfte der Intention Heusgens geschuldet sein, Teilnehmer aus dem globalen Süden in die NATO-lastige Konferenz einzubinden. Der UN-Generalsekretär warnte Israel eindringlich vor den Folgen der drohenden Großoffensive auf die mit Millionen palästinensischen Flüchtlingen überfüllte Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens und forderte eine humanitäre Feuerpause, aber auch die Freilassung der israelischen Geiseln durch die Hamas.

Die US-Regierung stehe »eisern« zur NATO, versicherte im Anschluss US-Vizepräsidentin Harris. Es sei im Grundinteresse der amerikanischen Bevölkerung, »unsere langjährige globale Führungsrolle zu erfüllen«, stellte die Politikerin ihre imperialistischen Vorstellungen gegen die verbal isolationistischen Positionen des von ihr nicht namentlich genannten Trump.

5.000 Polizisten sind zum Schutz der weitflächig abgeriegelten Konferenz im Einsatz. Obwohl es sich formal um eine Privatveranstaltung handelt, ist auch die Bundeswehr mit rund 400 Angehörigen in deren Planung und Ablauf eingebunden. Die Truppe ist so auch für das Pressezentrum zuständig. Erstmals ist die junge Welt offiziell zur MSK akkreditiert worden – nach obligatorischer polizeilicher »Zuverlässigkeitsüberprüfung«. Einen Zugang zum Tagungshotel bedeutet das keineswegs, so sind Plätze etwa im Königssaal auf zehn Journalisten limitiert.

Ein aus einer Vielzahl von linken Organisationen und Parteien bestehendes »Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz« will an diesem Sonnabend ab frühem Nachmittag den »Tagungsort der NATO-Kriegsstrategen« symbolisch umzingeln. Als Redner sind unter anderem der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis und die irische EU-Abgeordnete Clare Daly angekündigt.

Neben diesem internationalistisch orientierten Protest wird es erneut eine Demonstration des aus der Querdenkerbewegung kommenden Zusammenschlusses »München steht auf« gegen die »Kriegskonferenz« geben. Dem Aufruf dieses Kreises, der sich »weder rechts noch links« verortet, waren im letzten Jahr vier- bis fünfmal so viele Teilnehmer gefolgt wie dem linken Bündnis. Dieses grenzte sich ausdrücklich von »völkischer und rechter Ideologie und Rassismus« ab. Dagegen duldeten die Querdenker im vergangenen Jahr die Teilnahme zahlreicher AfD-Mitglieder.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Marcus B. (19. Februar 2024 um 15:53 Uhr)
    »Erstmals […] Wolodimir Selenskij« – Da scheint der Autor schlecht informiert, denn seine Rede auf der Veranstaltung vor zwei Jahren hatte doch erheblichen Einfluss auf die Entscheidung Russlands, zu intervenieren (https://kurzelinks.de/rf0h). In Kürze: Er drohte kaum verhohlen mit der Aufkündigung des Budapester Memorandums, was mit dem Streben nach nuklearer Bewaffnung gleichzusetzen ist. Das war meines Erachtens das Glas – weit mehr als nur ein Tropfen –, welches das Fass zum Überlaufen brachte.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Miriam S. aus Hamburg (18. Februar 2024 um 02:24 Uhr)
    Insgesamt haben anscheinend höchstens 4.500-5.000 Menschen gegen die Sicherheitskonferenz demonstriert. Das irritiert mich und macht mich etwas traurig – aber auch stolz, auf die, die da waren. In Berlin waren aber immerhin mindestens 13.000 Demonstrierende auf den Friedensdemos von Sahra Wagenknecht und Co. Die Frage stellt sich: woran liegt dieser gravierende Unterschied? Einmal ist klar; die Reichweite Sahra Wagenknechts durch ihre Popularität und Medienpräsenz ist wohl viel größer. Aber vielleicht liegt es auch an dem weit verbreiteten konservativen Umfeld von München? Ich kann für mich nur sagen: Vor allem aus Geldmangel – aber auch aus fehlender Kraft habe ich die weite Fahrt von Hamburg nach München, für die ich mindestens eine Übernachtung – eher lieber zwei – gebraucht hätte, nicht auf mich nehmen können. Den Organisator*innen der linken Demo habe ich meine solidarischsten Grüße für die Demo ausgerichtet. Es ging sicherlich vielen (!) so wie mir. Und das möchte ich allen (!) mitgeben, die vor Ort waren: Nicht verzagen! Viele sind im Geiste bei Euch gewesen! Und den Kriegstreibern aller Seiten möchte auch ich sagen: Macht Frieden! Jetzt! Sofort! Ich bin nicht »kriegsmüde«! Das geht gar nicht, denn ich war nie »kriegsmunter«! Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!

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