4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 25.04.2024, Seite 6 / Ausland
Militarisierung

Der Feind steht links

Österreichs Armee, Polizei und Geheimdienste trainieren den Einsatz gegen militante Anarchisten
Von Dieter Reinisch
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Schützen die Alpenrepublik vor der »Anarchie«: Frischgebackene Wachtmeister des Österreichischen Bundesheeres (Enns, 23.2.2024)

Noch bis zum heutigen Donnerstag üben 850 österreichische Soldaten gemeinsam mit dem Verfassungsschutz den Gebäudeschutz bei Rebellionen und die Abwehr von Anschlägen. Der Feind, gegen den beim viertägigen Training in den niederösterreichischen Bezirken Bruck an der Leitha, Sankt Pölten und Tulln der Einsatz geprobt wird: Anarchisten.

Um den Schutz der kritischen Infrastruktur »vor terroristischen Bedrohungen« geht es in der bisher größten gemeinsamen Übung von Bundesheer, Inlandsgeheimdienst und Landespolizeikommando Niederösterreich. Die Aufgabe ist, mögliche anarchistische Anschläge auf die zu sichernden Objekte zu verhindern, damit die Energieversorgung der Bevölkerung gewährleistet bleibt.

Welche angeblich gewaltbereite anarchistische und linksautonome Szene das Bundesheer und der Verfassungsschutz im Auge haben, die derzeit einen bewaffneten Umsturz planen würde, ist unklar – die anarchistische Szene ist marginal. Die letzte anarchistische Aktion, die unter »politische Gewalt« gelistet werden kann, war der misslungene Sprengstoffanschlag von Ebergassing auf eine Hochspannungsleitung. Am 11. April 1995 hatten Peter Konicek und Gregor Thaler aus Protest gegen die Weiterleitung von Atomstrom versucht, eine der zwei Hauptstromversorgungsleitungen für Wien durch die Sprengung eines Strommasts zu unterbrechen. Zwei der vier Sprengladungen explodierten frühzeitig und töteten beide anarchistische Aktivisten.

Nun sieht der Staat wieder die anarchistische Gefahr aufziehen: Landespolizeidirektion und Militärkommando arbeiten daher »eng zusammen«, um Österreich vor der Anarchie zu bewahren: »Damit im Ernstfall alles reibungslos funktioniert, muss vor allem die Kommunikation, aber auch die Kooperation laufend abgestimmt werden«, zitiert der ORF einen Armeesprecher.

Für Roland Scherscher, Leiter des niederösterreichischen Landesamtes für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE), kommt »im Zeitalter der hybriden Bedrohungen dem Schutz der kritischen Infrastruktur eine besondere Bedeutung zu«. Das LSE ist für die Übungsleitung verantwortlich. Das Manöver mit dem Namen »Kopal 24« ist die größte Milizübung des Bundesheeres in Niederösterreich in diesem Jahr. Mit dem Jägerbataillon Niederösterreich, der Pionierkompanie Niederösterreich und der Jägerkompanie Tulln stellt die Miliz einen Großteil der übenden Soldaten.

Das Training erfolgt auf der Basis eines »sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes«. Das Bundesheer verstärke die Polizei, damit »bei einer länger andauernden Gefährdung auch ausreichend Personal vorhanden ist«, heißt es. Im Rahmen der Übung sollen die Soldaten durch Einsatztrainer auch praktisch in polizeilichen Einsatztechniken ausgebildet werden.

Ab dem 10. Juni wird das Bundesheer dann mit internationaler Beteiligung auch aus Deutschland unter dem Namen »Schutzschild 24« in den Bundesländern Niederösterreich, Burgenland, Steiermark und Kärnten die größte Milizübung seit dem Zweiten Weltkrieg abhalten.

Die Manöver sind Teil einer breiten Kampagne zur Militarisierung Österreichs durch die konservativ-grüne Bundesregierung. Im Februar hat das Bundesheer 225 »Pandur«-Radpanzer für fast zwei Milliarden Euro bestellt. Auf die Frage einer Journalistin bei der Vertragsunterzeichnung, wo diese Radpanzer zur »raschen Verschiebung von Einheiten« denn Einsatz finden werden, antwortete Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP): »Auch im Inneren.« Der Feind, gegen den das neue schwere Gerät eingesetzt werden soll, steht für das Bundesheer und den Verfassungsschutz eindeutig links, wie an der aktuellen Übung ersichtlich wird.

Auch in anderen Bereichen rüstet Österreich weiter auf. Wie die Salzburger Nachrichten am Mittwoch berichteten, soll die Beschaffung von Luftabwehrsystemen im Rahmen der »Sky-Shield-Initiative« unter Führung der BRD »sehr rasch« beginnen. In der Kronenzeitung behauptete Tanner am Mittwoch, der »iranische Raketenangriff auf Israel« zeige auch Österreich, dass es seinen Luftraum besser vor iranischen Raketen schützen müsse.

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