4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Atomkrieg ahoi!

Von Helmut Höge
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»It’s the economy, stupid!«, sagte William Clintons Berater James Carville im Wahlkampf 1992. ­Clinton wurde US-Präsident, aber die Wirtschaftspolitik wird von der Wirtschaft, d. h. vom Kapital bestimmt. 2002 übersetzte mir jemand ein Interview, das die damalige US-Botschafterin in der Mongolei einer mongolischen Zeitung gegeben hatte. Darin legte sie der mongolischen Regierung eine entschiedenere Deregulierung nahe. Auf die Frage, welcher Partei sie diese denn am ehesten zutrauen würde, sagte sie: »Es ist egal, welche Partei die Regierung hier stellt, sie hat sowieso keinen Spielraum.« 2007 meinte der damalige Vorsitzende der US-Notenbank Alan Greenspan: »Wir haben das Glück, dass die politischen Beschlüsse in den USA dank der Globalisierung größtenteils durch die weltweite Marktwirtschaft ersetzt werden. Mit Ausnahme des Themas der nationalen Sicherheit spielt es kaum eine Rolle, wer der nächste Präsident wird.«

Und selbst die »nationale Sicherheit« wird nicht unwesentlich von den Waffenherstellern bestimmt. Notfalls über solche Transmissionsriemen wie hierzulande Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Sie sitzt u. a. im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik und im Förderkreis Deutsches Heer, wo auch die Wehrindustrie mitredet. »Beides sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen«, schreibt der Verein Lobby­control. Die FDP-Politikerin ist Mitglied der Parlamentarischen Versammlung der NATO, ferner Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages und markiert im Parlament die scharfe Kritikerin der Bundesregierung, weil diese im Ukraine-Krieg zu zögerlich sei. Der Westdeutschen Zeitung sagte sie im März 2023: »Wir waren immer der Auffassung, dass wir unter keinen Umständen zulassen dürfen, dass Russland mit seinem Angriff Erfolg hat. Wenn das einträfe, dann werden weitere Angriffe in Europa folgen. Die Nachbarn Russlands sind stark gefährdet. Und irgendwann kratzt die russische Kriegsmaschinerie auch an unserm NATO-Territorium. Zu Recht würden uns die Bürger vorwerfen, nicht weitsichtig genug reagiert zu haben, als noch Zeit dazu war.«

Als sich hohe deutsche Offiziere kürzlich zusammenschalteten, um die Möglichkeit zu besprechen, wie die Bundeswehr die Ukraine mit ­TAURUS-Marschflugkörpern beliefern und »praktische Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte gegen Ziele in Russland« leisten könne, wurde deren Gespräch abgehört und der deutsche Botschafter in Moskau, Alexander Graf Lambsdorff, daraufhin vom russischen Außenministerium aufgefordert, eine »Erklärung« dazu abzugeben. Auch dieser FDP-Mann ist dafür, die Ukraine mit Waffen aus dem Westen derart aufzurüsten, dass sie Russland Paroli bieten kann – und wenn die ganze Welt in Scher­ben fällt. Über die zaghafte Friedensbewegung hierzulande äußerte er: »Die Ostermarschierer sind die fünfte Kolonne Wladimir ­Putins, politisch und militärisch.«

Es kommt aus allen Rohren: Diesmal müssen wir es dem Iwan aber mal wirklich zeigen. Auch die Kinder werden indoktriniert. Am 27. Februar sendete z. B. die ZDF-Kindernachrichtensendung »Logo« ein kleines Video, in dem Marschflugkörper und andere Waffen personalisiert für Waffenlieferungen in die Ukraine plädieren. Außenministerin Anna­lena Baerbock meint, man müsse der Ukraine helfen, auch wenn man einen Atomkrieg riskiere. Der ehemalige Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung, nunmehr Geschäftsführer des finsteren European Resilience Initiative Center, Sergej Sumlenny findet, der sicherste Weg zu einem nachhaltigen Frieden sei es, das nukleare Russland zu zerstören. Die Liste der Kriegslüsternen, die so reden, wächst täglich. Vor allem angloamerikanische Kapitalfraktionen scheinen diese Idee zu forcieren. Wohl weil einige kalkulieren: »Wir überleben das«. Wenn ein paar Milliarden Menschen, oder wie viele auch immer, dabei draufgehen, dem Planeten tut das nur gut. Das ist auch eine Art von Ökopolitik. Sie bereiten sich auf einen Atomkrieg vor und erwerben gleichzeitig bombensichere Villen auf Neuseeland. Eine andere Kapitalfraktion, nennen wir sie die Silicon-Valley-Highflyer, will anscheinend auf den Mars ausweichen.

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