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Aus: lenin, Beilage der jW vom 13.04.2011

Akkumulation von Sprengstoff

Den heutigen Imperialismus charakterisieren erhöhte Krisenanfälligkeit und neue Kriegsbereitschaft. Die entscheidende Ursache liegt in seiner ökonomischen Spezifik
Von Arnold Schölzel
»Fördern und Fordern gehören zusammen.« Entwicklungshilfeministe
»Fördern und Fordern gehören zusammen.« Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) am 29. März auf dem Weg nach Afghanistan

Für den 12. und 13. März dieses Jahres hatten die Marx-Engels-Stiftung Wuppertal und die Tageszeitung junge Welt zu einer Konferenz in die jW-Ladengalerie eingeladen. Die Veranstaltung trug den Titel »Lenins und unserer Imperialismus« und widmete sich vor allem den ökonomischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Weltkapitalismus. Etwa 80 Interessenten verfolgten die neun Referate, von denen fünf in dieser Beilage – zum Teil erheblich gekürzt – veröffentlicht werden. Jörg Miehes Beitrag basiert auf einem von ihm an die Referenten der Konferenz vorab versandten Positionspapier, das für die Publikation redaktionell ebenfalls stark gekürzt wurde. Längere Fassungen wird die Zeitschrift Marxistische Blätter veröffentlichen. Wichtig erscheint der Hinweis, daß alle Texte vor Beginn der neusten imperialistischen Feldzüge gegen Libyen und Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste) entstanden sind. Diese Kriege sind auf ihre Weise eine Bestätigung von manchem, das hier formuliert wurde.

Beide Aggressionen erhärten: Was beim Untergang der Sowjetunion als »Friedensdividende« propagiert wurde, als »Ende der Geschichte« in einer Welt des Liberalismus und der parlamentarischen Demokratie, ist umgeschlagen in eine Anzettelung von Kriegen weltweit und in Permanenz. Erdacht, propagandistisch vorbereitet und befohlen werden sie fast ausschließlich in den Hauptstädten jener Staaten, die sich selbst als Hüter von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit preisen. Was diese Staaten vom Völkerrecht halten, demonstrieren sie seit 1989, als wenige Tage nach der Grenzöffnung in Berlin Panama von den USA überfallen wurde: Sie pfeifen darauf.

Im Innern dieser Länder folgt eine Maßnahme zur Beseitigung demokratischer Standards, zur Einschränkung persönlicher Freiheiten und zur Unterbindung von Opposition auf die andere. Nirgendwo gelang es in den vergangenen 20 Jahren, die Massenarbeitslosigkeit in nennenswertem Maße einzuschränken, im Gegenteil. Die Finanzkrise, die 2007 in den USA begann und in eine Weltwirtschaftskrise mündete, war offenbar Auftakt zu einer längeren Depres­sionsperiode der kapitalistischen Weltwirtschaft. In zahlreichen Ländern erreichte die Erwerbslosigkeit neue Rekordhöhen, selbst der sogenannte Aufschwung der deutschen Wirtschaft war allein möglich durch die Etablierung eines Niedriglohnsektors und einer immensen Ausdehnung von Leiharbeit. Wirtschaftlich und politisch geht es um ein Ziel: Senkung des Werts der Ware Arbeitskraft. Wobei kein Industrieland über Jahrzehnte die Reallöhne so senken konnte wie die Bundesrepublik. Begleitet wird das alles durch eine neue Blüte irrationaler, imperialistischer Ideologie – Stichwort Sarrazin.

Politökonomische Hintergründe dieser Erscheinungen werden in den Beiträgen dieser Beilage ausgeleuchtet. Der Zwang zur Akkumulation immenser Finanzbeträge, um in der weltweiten Konkurrenz bestehen zu können, die dadurch gegebene erhöhte Krisenanfälligkeit, der Aufbau von Spannungen – sozialen im Innern und geostrategischen Konfrontationen gegenüber den sogenannten Schwellenländern, insbesondere China – führt unmittelbar zur Akkumulation von sozialem und politischem Sprengstoff in der Welt.

Zugespitzte Widersprüche bedeuten aber auch, daß die Grenzen dieses Systems immer wieder deutlich, d. h. bewußt werden. Die Bilanz seit 1991 besagt daher auch: Rascher als zu erwarten war, ist der heutige Imperialismus an vielen Stellen der Welt wieder in seinen Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Von Lateinamerika über Afrika bis nach Asien hat er sich mit Veränderungen im internationalen Kräfteverhältnis auseinanderzusetzen, die nicht auf seiner Tagesordnung standen.

Das »Schöne am Imperialismus« sei, so formulierte es bei der Konferenz im März der Vorsitzende der Marx-Engels-Stiftung, Lucas Zeise: »Es knackt im Gebälk.« Der Verlauf der jüngsten Krise zeige aber auch, daß er nicht von allein stürze, man müsse etwas dafür tun. Dieser Maxime folgen die hier veröffentlichten Texte.

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                                                   Heute 12 Seiten extra - Beilage zum Thema: Naher Osten