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Aus: Ausgabe vom 06.05.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Erinnerung

Zu jW vom 29.4.: »Bis zum letzten Atemzug«

Mein Vater war 1938 in einer Zelle im Polizeigefängnis Alexanderplatz mit Robert Siewert. Aus einem Brief von ihm vom September 1948:

»An Dich und Bill kann ich mich noch gut erinnern. Ihr beide seid damals aus Sachsenhausen gekommen und wir wollten von Euch unter allen Umständen erfahren, wie sieht es denn eigentlich in einem Konzentrationslager aus. Doch Ihr beide wart durch Euren Aufenthalt dort so eingeschüchtert, dass ihr es für ratsamer hieltet, nicht viel zu berichten. Von Arno habe ich nichts wieder gehört, Harry von Lindenhoven ist später bei uns in Buchenwald gelandet, wurde dann – wenn ich nicht irre – kurz nach Kriegsausbruch entlassen und soll bei seiner Bewährung an der Front gefallen sein. Gerhard Kirchgatter, der mit uns zusammen in der großen Zelle lag, ist später auch in Buchenwald gelandet. Er ist jetzt Sekretär bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Deutschland, Buchenwaldkomitee, Berlin. (…) Auch ich musste damals feststellen, dass wir von einem Mitgefangenen, der in unserer Zelle lag, denunziert worden sind. (…) Wenn ich an unsere politischen Unterhaltungen auf dem Alex denke, dann fällt mir immer wieder die Aussprache zwischen Dir, Bill und mir über den künftigen Krieg ein. Du vertratest damals die Ansicht, dass die deutschen Armeen siegreich vorstoßen würden, Böhme war der Meinung, dass schon der erste Versuch mit einer Niederlage der Deutschen enden würde. Ich vertrat die Ansicht, dass die Kräfte der deutschen Armee nicht zu unterschätzen seien, dass aber in dem Fall, wenn sich der Krieg über eine Reihe von Jahren erstreckt und es auch noch zu einer Auseinandersetzung mit der SU käme, mit einer blutigen Niederlage zu rechnen sei (…).«

Eike Andreas Seidel, Buchholz in der Nordheide

Wirkung

Zu jW vom 30.4.: »Jenseits der Induktionsesel«

Ich spare es mir, einen spekulativen Artikel über spekulative Philosophie zu kritisieren. Ein historisch-materialistisches Herangehen stelle ich mir jedenfalls anders vor. Knackig kann man das am Dietmar-Dath-Zitat festmachen. Ein Blick in den Wikipedia-Artikel zur Quantenelektrodynamik hätte genügt, um die Unhaltbarkeit der Aussage zu sehen. In der Entwicklung der physikalischen Begriffe gibt es massenhaft Beispiele, wie Forschung und Darstellung auseinandergehen. Man kann (willkürlich) bei Kopernikus (heliozentrisches System) anfangen und sich anschauen, wie Kepler mittels der Beobachtungen von Tycho Brahe seine Gesetze formulierte. So »unmittelbar« war die Herleitung nicht. In diesem Zusammenhang könnte man auch Giordano Bruno erwähnen.

Zeitsprung in das 19. Jahrhundert: Um die Äthertheorie zu beweisen, dachten sich die Herren Albert Michelson und Edward Morley ein Experiment aus, »Dabei wurden im Rahmen der Messgenauigkeit Nullresultate erzielt …«. Diese »Nullresultate« brachten die Physik der damaligen Zeit in heftige Bedrängnis. Aufgelöst wurde die Sache zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit der speziellen Relativitätstheorie. Seither weiß man, dass die Vakuumlichtgeschwindigkeit die höchste Geschwindigkeit ist, mit der eine Wirkung übertragen werden kann. Der Begriff »Wirkung« ist zentral für die ganze Physik.

Marx: »Allerdings muss sich die Darstellungsweise formell von der Forschungsweise unterscheiden. Die Forschung hat den Stoff sich im Detail anzueignen, seine verschiedenen Entwicklungsformen zu analysieren und deren inneres Band aufzuspüren. Erst nachdem diese Arbeit vollbracht, kann die wirkliche Bewegung entsprechend dargestellt werden. Gelingt dies und spiegelt sich nun das Leben des Stoffs ideell wider, so mag es aussehen, als habe man es mit einer Konstruktion a priori zu thun.« Tipp: Harald Lesch, Baryonische und Dunkle Materie.

Heinrich Hopfmüller, Stadum

Bilanz

Zu jW vom 30.4.: »37 Millionen Tonnen Schutt«

Hauptklimasünder ist das Militär. Dank an Ina Sembdner und die junge Welt für eine klare Zahl: Die Zerstörung einer einzigen Stadt, Gaza, ergab 37 Millionen Tonnen Schutt. Auch wenn der Schutt vollständig zu Beschlag zermahlen wiederverwendet würde, bräuchte man für den Wiederaufbau der zerstörten Gebäude etwa 12 Millionen Tonnen Zement zusätzlich, dessen Herstellung mehr als 12 Millionen Tonnen CO2 freisetzt. Hinzu kommt der Treibstoffbedarf für den Transport und für die Baumaschinen. Um Gaza zu zerstören, bedurfte es militärischer Explosivstoffe. Diese setzten etwa so viele Tonnen CO2 frei, wie die Munition zuvor gewogen hat. Z. B. ein Beschuss mit 30.000 Geschossen des Typs »DM 121« der Firma Rheinmetall etwa 500 Tonnen CO2. Damit wurden Städte in Brand geschossen. Das Gewicht von allem, was brennt, von Dachbalken bis Möbeln multipliziert mit elf Dritteln ergibt die Menge CO2, die sinnlos in die Atmosphäre abgegeben wurde.

Ein einziger Fehlschuss bei einem Bundeswehr-Manöver im Emsland verursachte einen Moorbrand. Dadurch wurde mehr CO2 freigesetzt, als durch alle steuerfinanzierten CO2-Einsparmaßnahmen im selben Jahr vermieden werden konnte. Der Verbrauch militärischen Treibstoffs wird nie vollständig veröffentlicht. In Planungsunterlagen war zu finden: »Der NATO-Flugplatz Schleswig verfügt über zwei Betriebsstofflager. Der durchschnittliche Verbrauch im Vergleichsszenario 2017–2020 liegt bei 10.900 Tonnen pro Jahr, im Nullszenario 2033 bei 12.000 Tonnen und im Prognoseszenario 2033 bei 21.000 Tonnen.« Zwölftausend Tonnen im Jahr sind fast 15 Millionen Liter oder im Ergebnis 44.000 Tonnen CO2, und das soll gesteigert werden auf 26 Millionen Liter oder 77.000 Tonnen CO2. Mit dem durch den militärischen Flugbetrieb verbrannten Treibstoff könnte schon jetzt ganz Schleswig beheizt werden und nach der Erweiterung käme Husum noch mit dazu. (…)

Ralf Cüppers, Flensburg

Bei dem durch einen Fehlschuss bei einem Bundeswehr-Manöver verursachten Moorbrand wurde mehr CO2 freigesetzt, als durch alle steuerfinanzierten CO2-Einsparmaßnahmen im selben Jahr vermieden werden konnten.

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