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Aus: Ausgabe vom 02.05.2024, Seite 1 / Titel
2. Mai 2014

… und morgen war Krieg

»Euromaidan« eskaliert: Der Angriff auf das Gewerkschaftshaus in der ukrainischen Hafenstadt
Von Reinhard Lauterbach
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48 Tote und über 200 Verletzte. Das war die blutige Bilanz der pogromartigen Übergriffe von faschistischen Anhängern des »Euromaidan« auf dessen meist russischsprachige Gegner vor zehn Jahren in Odessa mit dem Brand des Gewerkschaftshauses als flammendem Fanal.

In Russland werden die Ereignisse im Süden und Osten der Ukraine im Frühjahr 2014 als »russischer Frühling« idealisiert. Das soll bedeuten, dass die mehrheitlich russischsprachige Bevölkerung eines breiten Gürtels von Charkiw über den Donbass bis nach Odessa sich nach dem Erfolg des nationalistischen Staatsstreichs in Kiew ihrer Bindungen an das russische Vaterland bewusst geworden sei und versucht habe, diesen Bindungen durch die Loslösung von der Ukraine praktische Geltung zu verschaffen. Die Realität stellt sich im Rückblick anders dar: eher als »russische Eisheilige«.

Moskau war vom Sieg des »Euromaidan« im Februar 2014 auf dem falschen Fuß erwischt worden. Jahrzehntelang hatte die russische Führung geglaubt, die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine sei eine Formsache, die bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeiten, die vielfältigen kulturellen und verwandtschaftlichen Bindungen würden das Land in der Einflusssphäre Russlands halten.

Dieses Modell scheiterte im Februar 2014, als eine Koalition aus Faschisten, vom ukrainischen Präsidenten geschäftlich benachteiligten Oligarchen und naiven »Euroenthusiasten« – mit aktiver Mithilfe westlicher Regierungen – Wiktor Janukowitsch aus dem Amt putschte. Notfallpläne hatte Russland für die Krim, die als Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte von besonderer strategischer Bedeutung war. Doch die dortige Entwicklung mit den Referenden vom März 2014 über den Austritt aus der Ukraine und den Beitritt zur Russischen Föderation hatten auch im Rest der Ost- und Südukraine eine soziale Dynamik in Gang gesetzt, es der Krim nachzutun.

Das aber war von Moskau nicht vorgesehen. Aufstandsbewegungen im Donbass wurden anfänglich eher gebremst, um die »prorussischen« Regionen in der Ukraine zu halten und so auf deren Westkurs hindernden Einfluss zu nehmen. Die Ereignisse in Odessa am 2. Mai 2014 sind im Rückblick ein Zeichen dafür, dass diese Strategie nicht aufgegangen ist.

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