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Aus: Ausgabe vom 29.04.2024, Seite 4 / Inland
Linkspartei in der Krise

Opposition auf halber Linie

Linkspartei stellt Strategie gegen Ampel mit Fokus auf Sozialpolitik vor
Von Karim Natour
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Versucht, die Linkspartei irgendwie durch die Krise zu bringen: Koparteivorsitzende Janine Wissler beim Wahlkampfauftakt zur EU-Wahl am Freitag in Berlin

Die Linkspartei steht nach der Abspaltung der Abgeordneten um Sahra Wagenknecht laut aktuellen Umfragen bundesweit zwischen drei und vier Prozent. Vor den im Juni anstehenden EU-Wahlen sowie den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Bandenburg im September will sie sich als »soziale Opposition« zur Ampelkoalition in Stellung bringen.

Um über die neue Strategie zu beraten, haben sich die Bundesvorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan am Sonntag im brandenburgischen Templin mit den Landesvorsitzenden und dem Vorstand der Bundestagsgruppe zu einer Konferenz getroffen. In einem neuen Papier, das nach den Beratungen vorgestellt wurde, heißt es, »unser Ziel ist es, das in den letzten Jahren verlorene Vertrauen zurückzugewinnen und den Menschen deutlich zu machen, dass wir ihre Alltagssorgen im Blick haben«, wie der Spiegel berichtete. Schirdewan erklärte am Sonntag, die Partei wolle das Land und Europa gerecht machen, bei dem Wahlkampf handele es sich um einen »Gerechtigkeitswahlkampf«. Am Freitag hatte die Partei den offiziellen Wahlkampfauftakt für die EU-Wahlen in Berlin eingeläutet.

Zukünftig will die Linke sich demnach unter anderem für kürzere Arbeitszeiten einsetzen. Dabei sollen die Gewerkschaften bei den Forderungen einer Viertagewoche unterstützt werden. Zudem soll ein Stundenlohn von 15 Euro her, die Schuldenbremse soll abgeschafft werden. Auch sollen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in gemeinnützige Trägerschaft überführt und Gewinnausschüttungen an Aktionäre verboten werden.

Im Wahlkampf sieht Bundesvorsitzende Wissler nicht das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als politischen Gegner. Ihre Partei wolle sich statt dessen auf die Ampelregierung konzentrieren, »die das Land sozialpolitisch gegen die Wand fährt«, so Wissler gegenüber der dpa. Im Gegensatz zum BSW, das sich neben sozialer Gerechtigkeit vor allem eine friedliche Außenpolitik auf die Fahne geschrieben hat, kommt das Thema Friedenspolitik laut Spiegel im Papier der Linken nur am Rande vor.

Die Offensive soll die zunehmend nicht mehr vom Regierungsbrei unterscheidbare Partei wohl rehabilitieren. Ob das gelingt, darf auch aufgrund der Ignoranz gegenüber den Kriegen in der Ukraine und im Gazastreifen bezweifelt werden. Der militärischen Eskalationspolitik der Bundesregierung hat die Partei anscheinend wenig entgegenzusetzen.

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  • Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (1. Mai 2024 um 01:11 Uhr)
    Too little, too late, liebe Restlinke! Erst überheblich-arrogant wesentliche Teile der Mitglied- und Anhängerschaft vergraulen. Und jetzt – vollkommen verdient bei drei Prozent angekommen – wieder kleinlaut mit Hausieren ankommen. Einem notorischen Ehebrecher gleich, der es diesmal ganz, ganz, ganz bestimmt ernster meinen will mit der Treue. Das BSW wird die Nachfolge der gescheiterten Linken antreten. Doppelt so hohe Ergebnisse für BSW gegenüber den Linken zeigen, wer als glaubwürdiger wahrgenommen wird.
  • Leserbrief von Steffen Häuser aus Leipzig (30. April 2024 um 10:47 Uhr)
    Natours polemischer Kommentar ist gehaltlos. Er muss es sein, wenn aus der Bemängelung fehlender, friedenspolitischer Punkte im besagten Papier eine »zunehmend nicht mehr vom Regierungsbrei unterscheidbare Partei« abgeleitet wird, die ignorant gegenüber den Kriegen in der Ukraine und in Gaza sei. Gehaltlos ist diese Polemik deshalb, weil Natour alle Punkte ignoriert, die klar für die antimilitaristische Position der Partei Die Linke stehen. Um nur ein klares Beispiel zu nennen: Erst vor einem Monat hat der Bundesvorstand zusammen mit den Vorsitzenden der Bundestagsgruppe zur Beteiligung an den Ostermärschen aufgerufen. Unmissverständlich wird sich im Aufruf gegen den aktuellen Kriegskurs mit all seinen Folgen (Kriegstüchtigkeit, Rüstungsproduktion, Wehrpflichtdebatte usw.) ausgesprochen. Die Linke wird sich auch weiterhin gegen Aufrüstung, Kriegswirtschaft, Militarismus und für friedliche, diplomatische Konfliktlösungen einsetzen. Möge jede Leser: In dieses Leserbriefs selbst prüfen, ob die Linke der Eskalationspolitik der Regierung wenig entgegenzusetzen habe. Passend dazu wird mir zufällig ein Werbebanner der Partei neben diesem Artikel auf der Homepage der jungen Welt angezeigt. Er ist beschriftet mit »Waffen runter, Löhne rauf! Wir brauchen soziale Sicherheit statt Militarismus & Aufrüstung!« Welch Ironie! Dass man den Wahlkampf mit sozialen Fragen statt mit friedenspolitischen Losungen führt, kann strategisch begründet werden. Man kann es für falsch, man kann es für richtig halten. Man kann dies dann auch kritisieren. Daraus allerdings eine Polemik zu machen, um der Partei die Linke eine vermeintlich fehlende friedenspolitische Haltung vorzuwerfen, ohne sich näher anzuschauen, wofür die Partei eigentlich steht, kann jedoch nur konsequent zurückgewiesen werden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Susanne R. aus Stuttgart (29. April 2024 um 12:27 Uhr)
    Statt beim Spiegel hätte man sich auch direkt beim Wahlprogramm der Linken informieren können. Dann hätte man auch feststellen können, dass sehr wohl Frieden und Abrüstung wichtige Themen sind. Natürlich gibt es viele Gründe, die Politik der Partei der Linken zu kritisieren, aber man kann dabei ruhig bei der Wahrheit bleiben.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (29. April 2024 um 14:47 Uhr)
      Das Parteiprogramm der PDL ist doch nur noch Makulatur. Die Aushöhlung der friedenspolitischen Grundsätze begann spätestens in Erfurt 2022 und setzte sich in Augsburg fort. In Augsburg war ich dabei. Der PV macht sich chic für eine eventuelle Koalition mit der SPD und grast bei den unzufriedenen ehemaligen Grünen-Wählern. Die Erfolge sind sehr überschaubar, wie man sieht. Nur das im PV und in Teilen der LV keiner seine Konsequenzen bzw. Lehren aus dieser Entwicklung zieht. Ich habe viele Jahre in den Kampf gegen diese Entwicklung investiert. Aber irgendwann resigniert man.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (29. April 2024 um 07:52 Uhr)
    Man könnte ja gehässig sein und behaupten: »Wir haben es euch ja vorher gesagt.« Der Beschluss des PV vom 10.06.2023 »Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht« war der prognostizierte Rohrkrepierer. Trotzdem werden auf dem Treffen des PV mit den Landesvorsitzenden am Wochenende in Templin keine Aussagen zu einer sichtbaren Wende in der Politik, vor allem der Friedenspolitik, getroffen. Ebenso war wohl der Landesparteitag der PDL in Berlin friedenspolitisch ein Desaster. Die rasant abstürzenden Wahlumfragen zwingen die PDL zu einem pragmatischen Umgang mit dem BSW. Doch hier sollten auch seitens des BSW klare Forderungen kommen. Für wen ehrliche Friedenspolitik eine Nebenrolle spielt, der muss es mit dem BSW schwer haben. Denn wir alle haben jetzt die Wahl: Krieg oder Frieden – und da hat das BSW eine klare und unmissverständliche Position.

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