4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: Ausgabe vom 25.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Der Wauzi gibt nicht auf

Der tierische Abenteurerfilm »Arthur der Große«
Von Ronald Kohl
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Auf den Hund gekommen: Team und Teamneuling Arthur (M.)

Köttbullar, die kleinen schwedischen Fleischklöpse, sind nicht jedermanns Sache. Vor zehn Jahren hatte sie der Abenteuersportler Mikael Lindnord über den Atlantik bis in den Dschungel Ecuadors mitgeschleppt. Als sein Team, mit dem er an den Weltmeisterschaften im Adventure Racing teilnahm, erschöpft im Schlamm verschnaufte, bot Mikael die Fleischklößchen an, um die gedrückte Stimmung etwas zu heben. Doch keiner wollte. Alle schüttelten nur müde den Kopf. Ein struppiger Hund, der praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war, erschnupperte sofort seine große Chance. Ob ihm die Dinger wirklich geschmeckt haben, ist Nebensache. (Ich weiß auch nicht, ob er ein Anstandsbällchen übrig ließ, mit dem man in Schweden der gastgebenden Hausfrau zu zeigen pflegt, dass sie nicht zu wenig aufgetischt hat.) Fest steht, dass der Hund dem vierköpfigen Team danach nicht mehr von der Seite wich und trotz der Blessuren aus seinem Streunerleben wieder zu Kräften kam und dass ihm nach einem ziemlichen Papierkrieg die Ausreise genehmigt wurde, so dass er noch viele glückliche Jahre als Familienhund in Schweden verbringen konnte, wo er im Jahr 2020 mit rund 80 Hundejahren starb.

»Arthur der Große«, der von Lindnords Buch »Arthur« inspirierte Film von Simon Cellan Jones, spielt ebenfalls in der Adventure-Racing-Szene. Michael (Mark Wahlberg) zählt schon lange zu den Besten. Zu lange. Er ist jetzt Mitte 30. Und noch nie hat er die Weltmeisterschaft gewonnen. Auch bei dem gegenwärtigen Championat läuft es nach dem bekannten Muster: Im entscheidenden Moment steht er sich selbst im Weg, lässt nur seine Meinung gelten und steckt am Ende mit seiner Crew fest. Dieses Mal im Morast. Das modrige Desaster macht ziemlich schnell die Runde: Wer den Schaden hat, braucht für die Bilder im Netz nicht zu sorgen.

Auch der Hund, zu Beginn des Films noch einer von Tausenden Streunern in Santo Domingo, muss zunächst reichlich Lehrgeld zahlen. Er ist noch weit davon entfernt, Arthur der Große zu sein, allein deshalb, weil niemand da ist, der ihm einen Namen geben könnte. Ich würde ihn ja Cujo nennen. Wie dem später tollwütigen Bernhardiner in Steven Kings Horrorroman wird dem vierbeinigen Helden in »Arthur der Große« seine Unvorsichtigkeit zum Verhängnis. Cujo bekam den kräftigen Biss eines tollwütigen Hoppels in die Nase, als er sich an einem Kaninchenbau zu schaffen machte, und unser späterer Arthur inspiziert ausgiebig die bereits verpackten Abfälle einer Schnellimbissküche, ohne zu merken, dass sich der Koch von hinten angeschlichen hat. Seit dem Tag lahmt er. Er ist jedoch nicht der einzige mit diesem Handicap in Michaels Team.

Sieht man sich einmal die Inhalte der Top-100-Hundefilme an, stößt man immer wieder auf drei Komponenten: Fressen, Abenteuer und Kinder. Da die wenigsten dieser Kinder verwaist sind, spielt sich viel innerhalb der Familie ab, beziehungsweise in der Ersatzfamilie, wenn es ausnahmsweise mal keine Kinder gibt; bekanntestes Beispiel dafür: »Vier Panzersoldaten und ein Hund«, die polnische Kultserie aus den späten Sechzigern.

»Arthur der Große« weicht, angelehnt an die Buchversion, vom Ersatzfamilienschema ab. Nur Michael hat den Hund ins Herz geschlossen. Den anderen drei Teamkollegen ist er egal. Sie haben genug mit sich zu tun. Chik (Ali Suliman) leidet an Kniebeschwerden und dröhnt sich dermaßen mit Schmerzmitteln voll, dass kein einziger Köttbullar mehr reingeht. Leo (Simu Liu) filmt sich ständig selbst, und als er das Handy beim Nachtmarsch durch den dominikanischen Dschungel ausschaltet, stürzen sie beinahe in eine kilometertiefe Schlucht. – Wer kann das wohl im letzten Augenblick verhindern?

Und dann ist da noch Olivia (Nathalie Emmanuel), die wie eine Eidechse senkrechte Bergwände hoch geht, auch wenn sie dabei diverse Mountainbikes auf dem Rücken schleppt. In ihrem Fall ist dies jedoch kein entfesselter Ehrgeiz. Sie macht den Quatsch nur aus Liebe zu ihrem Daddy mit, der ihr das Klettern beigebracht hat und nun im Endstadium Krebs hat. Passend zu den Schicksalsschlägen gibt es auch reichlich melodramatische Dialoge. So erzählt Michael am Handy seiner Frau, dass Arthur trotz der Maden, die sich mittlerweile in seiner Wunde tummeln und ihm höllische Schmerzen bereiten, noch lange nicht aufgibt. »Er ist eben ein richtiger Kämpfer.« Darauf sie: »Genau wie du.« – Wau!

»Arthur der Große«, Regie: Simon Cellan Jones, USA 2024, 108 Min., Kinostart: heute

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