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Aus: Ausgabe vom 25.04.2024, Seite 10 / Feuilleton
Rock

So gut es eben klingen kann

Zum 40jährigen der großen Schrammelrockband Dinosaur Jr. erscheint »The Black Session – Live in Paris 1993«
Von Norman Philippen
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Stilbildend: Dinosaur Jr. (1995)

Ob es auf dieser Welt überhaupt einen Ort gibt, an dem sich Dinosaur Jr. live so einfangen ließen, dass die Aufnahmen einen wirklich genussvollen Eindruck von J. Mascis’ ganzem Gitarrengenie liefern könnten? In der Hamburger Elbphilharmonie soll es akustisch ja ganz schön sein, und angesichts der mittlerweile sowieso üblichen Preise für größere Rockkonzerte könnte man den Versuch in der »Elphi« ruhig einmal wagen. Teurer als auf der letztjährigen Tour mit Weezer und den Flaming Lips würden die Tickets wohl auch nicht kommen.

Am 2. März 1993 standen in der Maison De La Radio zu Paris, im Studio 105, die Chancen für einen guten Mitschnitt allerdings auch nicht so schlecht. In der Formation J. Mascis, Murph (der die Band wenig später bis zur Reunion 2005 verließ) an den Drums und Mike Johnson am Bass standen Dinosaur Jr. zu dieser Zeit ungefähr im Zenit ihrer Popularität und ihres krachigen Könnens. Im für dessen akustische Vorzüge berühmten Funkhaus von Radio France trat ab 1992 eine Reihe großer Indiebands zu den sogenannten »Black Sessions« auf, die eine gute Aufnahmequalität im Grunde verbürgten. Ähnlich wie die mit wenigen Tagen Abstand damals eingespielte MTV-Livesession »Seventy Two Hundred Seconds« (2022) ist auch das Pariser Konzert auf eine Weise archiviert, die sich vom sonst meist nachzuhörenden, wenig gustiösen Gedröhne einigermaßen angenehm abhebt. So sind die neun Songs der Session tatsächlich mehr hör-, denn nur erahnbar und können durchaus eine brauchbare Anschaffung nicht nur für Fans von hellblauem Vinyl sein.

Wie es sich für eine Dinosaur-Jr.-Liveaufnahme aber unbedingt zu gehören scheint, verhindert die eigensinnige Eskalation in puncto Verzerrung und Verstärkeraufdrehen auch hier zuverlässig die Wahrnehmung vieler Feinheiten, die das Mascische Gitarrenspiel (Rang 86 der Rolling-Stone-Liste der 100 größten Gitarristen aller Zeiten) eigentlich ausmachen. Leuten, denen Dinosaur Jr. nichts bedeuten, vom Vorzug der Amherster zu überzeugen, kann auch mit diesem Tonbeispiel nur schwer gelingen. Für Fans aber dürfte die Scheibe gewiss ein appetitliches Schmankerl sein, das zudem deutlich günstiger ausfällt als ein Ticket. Blöde Ansagen zwischen den Songs muss man aber so oder so nicht befürchten, denn wie üblich macht Mascis den Mund nur zwecks Gesang auf und verzichtet auf jegliches Geplapper. Ob die Songs der bis 1993 veröffentlichten Alben, darunter »Freak Scene«, das The Cure-Cover »Just Like Heaven« oder der Bonustrack »Keep the Glove« vom legendären Album »Bug« (1988) auf einem heutigen Konzert besser bzw. überhaupt so gut klingen können wie damals, bleibt überdies ungewiss. Liefert doch auch diese Veröffentlichung wieder den Beweis, dass Dinosaur Jr. eine grandios gute Liveband sein könnten, deren tatsächliche Qualitäten sich allerdings und vor allem im Studio zeigen.

Dinosaur Jr.: »The Black Session – Live in Paris 1993« (Cherry Red)

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