Eskalation zum Pessach
Von Jörg TiedjenDer israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte am Vorabend des Pessachfestes, das am Montag begann, in einer Fernsehansprache »weitere schmerzhafte Schläge« gegen die Hamas in Gaza angekündigt. Diese würden nicht lange auf sich warten lassen. Tatsächlich setzte die israelische Armee vor dem hohen jüdischen Fest ihr Bombardement des Küstenstreifens unvermindert fort. Korrespondenten der palästinensischen Agentur WAFA berichteten von Angriffen der israelischen Armee im gesamten Gazastreifen mit Toten und Verletzten. Allein in Rafah soll es durch Beschuss zweier Wohnhäuser am Wochenende 26 Tote gegeben haben, darunter 16 Kinder und sechs Frauen. Auf am Sonntag im Internet veröffentlichten Videoclips ist zu sehen, wie ohnehin bereits stark zerstörte Gebäude ohne Vorwarnung bombardiert werden, während die Menschen verzweifelt Schutz suchen.
Unterdessen wurde im Nasser-Krankenhaus der Stadt Khan Junis am Sonnabend ein weiteres von der israelischen Armee angelegtes Massengrab entdeckt. Wie der Nachrichtensender Al-Dschasira am Sonntag berichtete, haben palästinensische Rettungskräfte dort am Wochenende 180 Leichen geborgen. Das im Süden Gazas gelegene Khan Junis war vom israelischen Militär im Rahmen seiner Bodenoffensive gegen die Hamas eingenommen worden, obwohl es ursprünglich wie auch die Stadt Rafah als sichere Zone für Binnenvertriebene ausgewiesen worden war. Die Untersuchungen des Klinikareals hatten nach dem Abzug der Besatzer am 7. April begonnen. Nach Angaben der palästinensischen Politikerin Hanan Aschrawi auf X seien viele Opfer »aus nächster Nähe hingerichtet« worden. Sie vermutete Hunderte weitere Leichname in den Trümmern.
Erst Anfang der vergangenen Woche war auch auf dem Gelände des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt ein solches Massengrab ausgehoben worden. Israels Armee hatte auch dieses Hospital belagert und beschossen, Personal drangsaliert, verhaftet und abgeführt – die Rede ist zudem von gezielten Tötungen. Nach dem Abzug der israelischen Truppen sind von dem einst größten Krankenhaus des Küstenstreifens weitgehend Ruinen geblieben. Ein israelischer Militärkommandant hatte in einem auf X verbreiteten Clip angegeben, dass das Vorgehen gegen das Schifa-Krankenhaus wichtig gewesen sei, um zu signalisieren, dass es »keinen sicheren Ort« in Gaza mehr gebe. Am 20. März hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) davon gesprochen, dass seit dem 7. Oktober 410 israelische Angriffe auf die Gesundheitsversorgung in Gaza registriert worden seien. Dabei habe es 685 Tote, 902 Verletzte und Schäden an 99 Einrichtungen und 104 Krankenwagen gegeben.
Während Israels Militär sich nach eigenen Angaben darauf vorbereitet, nun auch gegen die Stadt Rafah vorzurücken, störte ein Fernsehbericht allerdings die Zuversicht, die Hamas im Gazastreifen besiegen zu können. Auf einem von Channel 13 verbreiteten Video ist zu sehen, wie zahlreiche Palästinenser an einem Strand in Gaza baden. Der Sender stellte dem eine weitere Aufnahme gegenüber, von einem Küstenabschnitt, der von der israelischen Armee besetzt ist. Channel-13-Korrespondent Almog Boker kommentierte auf X: »Während unser Strand zum militärischen Sperrgebiet erklärt wurde und wir ihn nicht ohne militärische Eskorte betreten dürfen, verbringen die Bewohner des Gazastreifens ihre Zeit am Strand und baden im Meer, als gäbe es keinen Krieg.« Das spreche für ihren »absoluten Sieg«.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. April 2024 um 12:06 Uhr)Nach einem halben Jahr im militärischen Ausnahmezustand in Israel lässt sich festhalten, dass das Land seine festgesetzten Ziele, wie die Befreiung der Geiseln und die Vernichtung der Hamas, weiter entfernt denn je sieht. Damit stellt sich die Frage, wie lange das winzige, zerstrittene Land diesen Zustand noch verkraften und durchhalten kann. Gaza ist nur ein Teil des Problems. Daneben erfolgte eine Umsiedlung der eigenen Bewohner von der libanesischen Grenze. Weiterhin herrscht auch im Westjordanland Ausnahmezustand. Die israelische Wirtschaft leidet unter Arbeitskräftemangel und fällt von Tag zu Tag weiter zurück. Zwar liefern die westlichen Verbündeten genügend Waffen, doch diese »Geschenke« haben mit Sicherheit auch einmal ihre Grenzen. Und nun, nach einem halben Jahr, wurde so gut wie nichts erreicht! Die Tage der Kriegsregierung sind gezählt, jedoch noch ohne Veränderung. Israel plant nun auch einen Angriff auf die Hisbollah im Libanon, um weitere politische Erfolgschancen in Aussicht zu stellen. Ohne diplomatische Lösung ist dieser Krieg nicht zu gewinnen! Wer und wie man Israel dazu bewegen kann, bleibt jedoch unklar. Wenn jedoch die Realität es zeigen wird, könnte dies für Israels Zukunft schon viel zu spät sein!
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