Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
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Aus: Ausgabe vom 28.03.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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»Imperialistische Züge«

Zu jW vom 23./24.3.: »Der Türöffnerkrieg«

Die junge Welt widmet dem Jugoslawien-Krieg und seinen Hintergründen immer wieder Artikel. Das ist gut und wichtig, denn in der laufenden Kriegsdebatte Ukraine–Russland wird er sehr oft »vergessen«. Leider muss man konstatieren, dass nicht nur die NATO, sondern auch Russland die »humanitäre Intervention« heranzog, seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen. Wo ist der Unterschied? Lange Debatten innerhalb der Linken drehten sich darum, ob Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg führe. Einig wurde man sich nicht, bis heute nicht. Der profilierte Völkerrechtler Norman Paech bezog jedoch eindeutig Stellung: Der Überfall auf die Ukraine war eine Aggression – also völkerrechtswidrig. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass dieser Angriffskrieg und die dahinterstehende Politik unverhohlen imperialistische Züge aufweist. Eine kleine Gruppe von Falken heizt diesen Krieg an, wie Catherine Belton vermerkte – Belton sollte nicht einfach abgetan werden. Sie hat wohl tiefe Einblicke in die inneren Verhältnisse in Russland, insbesondere den Finanzsektor.

Barbara Hug, Schweiz

»Revolution«

Zu jW vom 23./24.3.: »Ein ›Archiv der Kämpfe‹«

Beeindruckend der Nachruf für Biplab Basu, der seinem Vornamen, so wie er hier gelebt und gehandelt hat, mehr als gerecht wurde. Nur vier Jahre nach Erringung der Unabhängigkeit Indiens vom britischen Kolonialjoch und nur ein Jahr nachdem Jawaharlal Nehru die Republik ausgerufen hatte, im revolutionären Kalkutta geboren, gaben seine Eltern ihrem Sohn sicherlich nicht zufällig den Namen Biplab. Biplab heißt in der bengalischen Sprache Revolution. Bengalen sind für revolutionär-solidarisches Handeln, für Gerechtigkeit bekannt.

Andrej Reder, per E-Mail

»Revolutionär?«

Zu jW vom 22.3.: »Volksfront mit Putin«

Den Themenartikel liest man schon mit einer Traurigkeit. Der Kandidat der KPRF (Kommunistische Partei der Russischen Föderation, jW), ­Nikolai Charitonow, erhielt 4,31 Prozent. Und nach der Wahl ließ er sich gemeinsam mit ­Wladimir Putin auf dem Roten Platz »feiern«, auf mich wirkte es unterwürfig. Es war nicht unbedingt eine Wahl, sondern ein Referendum, dass durchgeführt wurde. Für einen Kommunisten ist es ganz bitter, dass kaum in unseren linken Medien darüber berichtet wird, dass ein Marxist wie Boris Kagarlizki inhaftiert ist. Sogar (der brasilianische Präsident, jW) Luiz Inácio Lula da Silva setzt sich für ihn ein. Oder auch Sergej Udalzow, Kandidat der Linksfront, bleibt eingesperrt. Von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren, die sich dem Angriff auf die Ukraine verweigern, erst gar nicht zu sprechen. Denen sollte unsere ganze Solidarität gehören. Einen Straßenwahlkampf draußen führte die KPRF kaum. Offensichtlich ist es ausreichend, dass soziale Gesetzesvorhaben regelmäßig in die Duma eingebracht werden, abgelehnt und erneut von der KPRF zur Abstimmung vorgelegt werden. Es waren zwar nur Fernsehbilder, der Eindruck bleibt, nur Putin war im Straßenbild sichtbar. Man erlebte keinen Kandidaten oder wollte man gar nicht sichtbar sein, mit Antikriegspositionen?

Auch die Frage stellt sich, ist die KPRF eine revolutionäre Partei oder lediglich eine reformistische Parlamentspartei mit nationalistischen Tendenzen, sieht sie sich selbst als Bruderpartei zu anderen europäischen kommunistischen Parteien, die sich klar auf die Positionen von Marx, Engels und Lenin bezieht?

Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen

»Klassenkampf!«

Zu jW vom 2./3.3.: »Wurzeln der Gewalt«

Bernd Vogel kritisiert in seinem Leserbrief vom 21. März 2024 Karl-Heinz Dellwo und weiter die RAF wegen Dellwos Aussage »Der ganze Kapitalismus beruht auf Diebstahl und ungleichem Tausch« und bezichtigt mich der »moralisierenden Aufregung«, weil auch ich Ausbeutung als eine Form des Diebstahls bezeichne. Weiterhin besteht er darauf, dass die vollzogene Ausbeutung auf Grundlage eines »formell korrekten Arbeitsvertrages« geschieht.

Dazu ist zu sagen: Erstens stehen sich dabei zwei sehr ungleiche Vertragspartner gegenüber. Der eine muss, um zu existieren, »seine Haut zu Markte tragen«, während der andere, im Besitz der Produktionsmittel und der politischen Macht ist – und somit in der Lage, sich den erwirtschafteten Mehrwert anzueignen.

Zweitens sind die Produktionsverhältnisse im Kapitalismus durch den bürgerlichen Staat so gestaltet, dass sie in erster Linie dem Kapital nützen. Dieser »formal korrekte Vertrag« ist also von vornherein auf Ungleichheit und Ungerechtigkeit aufgebaut, weswegen z. B. die Chinesische Kommunistische Partei die Verträge, die die Imperialisten China während der Kolonialzeit aufzwangen, folgerichtig auch als »ungleiche Verträge« bezeichneten.

Die Verurteilung von Ausbeutung, sei es aus politischer, ethischer, moralischer oder philosophischer Sicht, als »moralisierende Aufregung« abzukanzeln, kann man machen, als Zeugen dazu Marx und Engels zu bemühen ist allerdings gewagt. Es ließen sich hier unendlich viele Zitate anführen, in denen diese Ausbeutung aufs Schärfste verurteilten.

Deshalb: Klassenkampf! Diesen hat die RAF in ihrem revolutionären Kampf auf ihre Weise interpretiert. Daran kann es Kritik geben, es aber als »theoretisches Wirrwarr« abzutun wird der Sache, wie gesagt, nicht gerecht. (…) Eine tiefergehende Argumentation ist in Form eines Leserbriefes logischerweise leider nicht möglich, weswegen ich Vorangegangenes als Kommentar verstanden sehen möchte.

Dieter Crusius, per E-Mail

»›Heiße‹ Diskussionen«

Zu jW vom 13.3.: »Rotlicht: Kapital«

(…) In der DDR bekamen wir in den Betrieben in regelmäßigen Abständen unser »Rotlicht«. So nannten wir die Veranstaltungen der politischen Bildung intern für Kolleginnen und Kollegen, die nicht in der SED waren. In den Fluren bzw. Raucherecken fanden oft sehr »heiße« Diskussionen statt. Das war oft viel spannender. Die Genossen nahmen dafür regelmäßig an den Parteilehrjahren teil. Die Rubrik »Rotlicht« in der jW zu finden, ist toll. (…)

Mathilde Furtner Furtner, Berlin

Leider muss man konstatieren, dass nicht nur die NATO 1999, sondern auch Russland die »humanitäre Intervention« heranzog, um seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen.

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  • Leserbrief von Ewald Ressel aus Bietigheim-Bissingen (9. April 2024 um 14:30 Uhr)
    Zum Leserbrief vom 28./29.3.: »Imperialistische Züge«
    Von Linksradikal bis Rechtsnational sind alle (sich) einig, Russland führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Angriffskrieg heißt für alle, wenn die Tötung von 14.000 russischstämmigen Einwohnern der Donbassgebiete durch die ukrainische Armee seit 2014, trotz Minsk 2 Vertrag, von Russland mit militärischen Mitteln, weil nicht anders möglich, endlich beendet wird.
    Es sollte nach westlichem Wunsch und Auftrag gerne auch immer so weitergehen. Täglich fünf getötete Russen, was ist das schon? Kollateralschäden eben. Die Russen sollen sich nicht so haben. In Putins Geburtsstadt Leningrad waren es täglich Tausend. Leider wird im Leserbrief der Begriff »humanitäre Intervention« für zwei gegensätzliche Vorgänge verwendet: Die völkerrechtswidrige Annexion des Kosovo wurde 1999 durch die NATO herbei gebombt und war keinesfalls eine humanitäre Intervention. Die Völkerrechtskonforme Sezession der Krim und der Donbass-Republiken durch Russland war eine humanitäre Intervention mit demokratischer Legitimation.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (1. April 2024 um 16:42 Uhr)
    Zum Leserbrief von Frau Hug: Dass auch Russland hier oder da vielleicht die »humanitäre Intervention« heranzog, seinen Überfall auf die Ukraine zu rechtfertigen, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Kern der russischen Rechtfertigung für den Eintritt in den Donbasskrieg erklärtermaßen im Selbstverteidigungsrecht der Donbassrepubliken liegt, speziell im kollektiven Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UN-Charta. Man darf nicht vergessen, dass die Gewalt im Donbass vor dem russischen Eingreifen massiv eskaliert war. Und anders als der Kosovo 1999 waren die Donbassrepubliken 2022 längst faktisch vom Mutterland abgetrennt, stellten sogenannte De-facto-Staaten dar, denen das Völkergewohnheitsrecht ein Selbstverteidigungsrecht zubilligt, wie ja der Westen z. B. auch Taiwan ein Selbstverteidigungsrecht gegen etwaige chinesische Übergriffe zubilligt und entsprechend Waffen zukommen lässt.