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Aus: Ausgabe vom 28.03.2024, Seite 6 / Ausland
Südostasien

Für Jubel noch zu früh

Thailand: Brandanschläge dämpfen Hoffnung auf dauerhaften Frieden im muslimischen Süden
Von Thomas Berger
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In Thailands südlichsten Provinzen ist seit fast 20 Jahren der »Notstand« verhängt (Pattani, 17.8.2023)

Die mehr als 40 koordinierten Brandanschläge im Süden Thailands am vorigen Freitag haben einmal mehr gezeigt, wie fragil die Lage in der Unruheregion nach wie vor ist. Wer hinter den Attacken steckt, ist vorerst weiter unklar. Vor 20 Jahren wurde der äußerste Süden von einer neuen Gewaltwelle erschüttert. Seither sind die drei Provinzen Pattani, Yala, Narathiwat und Songkhla an der Grenze zu Malaysia nicht mehr zur Ruhe gekommen. Höchstens zeitweise ging die Zahl der Bombenanschläge und Attentate zurück. In diesen zwei Jahrzehnten hat der Konflikt über 7.000 Menschen das Leben gekostet. Im Februar allerdings haben sich die Delegationen der Zentralregierung sowie der größten muslimisch-separatistischen Rebellenbewegung auf einen grundlegenden Friedensplan verständigt, wie der malaysische Chefvermittler Zulkifli Zainal Abidin kürzlich nach der jüngsten Gesprächsrunde mitteilte.

Schon die grundsätzlich vereinbarte Waffenruhe für den islamischen Fastenmonat Ramadan sowie das thailändisch-buddhistische Neujahrsfest (Songkran) im April hielt zumindest bis zu den jüngsten Anschlägen. Ein noch dieses Jahr unterschriftsreifer Friedensvertrag wäre ein riesiger Erfolg für den erst seit wenigen Monaten regierenden Premier Srettha Thavisin von der konservativen Pheu-Thai-Partei. Dieser hatte Ende Februar für drei Tage den Süden besucht – der erste Premier seit zehn Jahren, der über Nacht blieb. Einen ersten Entwurf für die jetzige »Roadmap« gab es zwar schon vor einem knappen Jahr zu Zeiten der Vorgängeradministration. Dann aber sorgten die Parlamentswahlen im Mai 2023 und Verzögerungen bei der Regierungsbildung für eine längere Verhandlungspause.

Yala, Pattani, Narathiwat und Teile von Songkhla, bis heute mehrheitlich von einer muslimisch-malaiischen Bevölkerung bewohnt, gehörten einst mit dem benachbarten Kelantan, heute einer der Bundesstaaten Malaysias, zum Sultanat Pattani, das spätestens seit dem frühen 16. Jahrhundert bestand und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter vier aufeinanderfolgenden Herrscherinnen seine größte Blüte hatte. 1785 eroberte das damalige Siam das Gebiet, endgültig einverleibt wurden die drei erstgenannten Provinzen dem sonst mehrheitlich buddhistischen, 1939 in Thailand umbenannten Staat zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In den 1930er Jahren begann die von nationalistischen Militärs dominierte Zentralregierung eine als Thaiisierung bezeichnete Politik der kulturellen Assimilation. Dagegen regte sich Widerstand: Schon 1948 gab es erste separatistische Bestrebungen, der seit 2004 anhaltende Konflikt ist die dritte Welle der Auseinandersetzung um ein von den Rebellen angestrebtes Wiederauferstehen des alten Sultanats.

Lange hatte die Zentralmacht in Bangkok auf eine militärische Lösung gesetzt. Ein ernsthafter Dialog wurde erstmals 2013 begonnen. Die jetzt womöglich von einem echten Durchbruch gekrönten Verhandlungen laufen, ebenfalls mit einigem Auf und Ab, seit 2020. Srettha hatte auch für gewisse Pluspunkte gesorgt, indem er im November mit dem neuen Chefunterhändler Chatchai Bangchuad erstmals einen Zivilisten auf den Posten berief, den zuvor immer hochrangige Offiziere innehatten. Chatchai, der dem Nationalen Sicherheitsrat vorsteht, war gleichwohl seit Beginn der unter malaysischer Vermittlung laufenden Gespräche 2013 eingebunden, kennt somit alle Hürden aus der Vorgeschichte. Dass da nun auf der anderen Tischseite kein Mann sitzt, der formell das als Gegner angesehene Militär verkörpert, wirkt sich offenbar positiv auf die Dialogatmosphäre aus.

Nähere Details der Grundsatzeinigung sind bislang nicht bekannt. Eine Herausforderung liegt darin, dass seit 2020 lediglich mit einer der separatistischen Gruppen, der 1963 gegründeten Barisan Revolusi Nasional (BRN), verhandelt wurde. Sie gilt zwar spätestens seit 2017 als größte der Rebellenorganisationen. Doch andere, wie die Pattani United Liberation Organization (PULO), müssen sich nicht an die Vereinbarung gebunden fühlen – das zeigen auch die Brandanschläge deutlich.

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