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Aus: Ausgabe vom 06.03.2024, Seite 8 / Inland
Grüner Bellizismus

»Die Friedenskonferenz ist den Grünen lästig«

Über die Streichung des städtischen Zuschusses für die Münchner Friedenskonferenz. Ein Gespräch mit Maria Feckl
Interview: Rolf-Henning Hintze
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Besucherinnen und Besucher der Münchner Friedenskonferenz (3.2.2012)

Einige Stadtratsmitglieder der Münchner Grünen und der SPD haben erreicht, dass der Internationalen Friedenskonferenz ein Zuschuss von 6.500 Euro ganz kurz vor Konferenzbeginn gestrichen wurde. Wie erklären Sie sich Münchens plötzliche Feindseligkeit?

Ich sehe keine Feindseligkeit Münchens. Die Stadt hat uns über 19 Jahre lang unterstützt, den Alten Rathaussaal zur Verfügung gestellt. Mit Oberbürgermeister Dieter Reiner, SPD, haben wir erst 2022 einen gemeinsamen Appell gegen Atomwaffen verabschiedet. Feindseligkeit gibt es allerdings vonseiten der Grünen-Stadtratsfraktion. Die Friedenskonferenz ist ihr lästig geworden, weil sie an die ursprünglichen Positionen der Grünen gegen Waffenlieferungen in Kriegsgebiete erinnert und Verhandlungen vor militärischen Auseinandersetzungen den Vorrang einräumt.

Aber die Grünen waren nicht die einzigen, die den Deckel auf den Fördertopf gelegt haben, die SPD hat sich dem Antrag doch angeschlossen.

Das hat sie, aber die Initiative kam eindeutig von den Grünen, und es gab auch einen SPD-Stadtrat, der sich dagegen wandte und nicht auf diesem Antrag erscheinen wollte. Ich sehe hier keine Geschlossenheit der SPD-Fraktion.

Die Friedenskonferenz gilt auch als Gegenveranstaltung zur sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz, die zur selben Zeit stattfindet. Ist die Zukunft der Friedenskonferenz jetzt gefährdet?

Ja, eindeutig. Es wurde ja auch das Ansehen der Friedenskonferenz gefährdet, der Katholische Fonds nahm sogar seine Förderzusage zurück.

Nach der Streichung der Mittel haben Sie als organisatorische Leiterin Ihren sofortigen Austritt aus der Partei und nun auch aus der Kreistagsfraktion der Grünen in Erding erklärt. Welche Grundpositionen der Grünen sehen Sie verletzt?

Ich bin in die Partei Bündnis 90/Die Grünen eingetreten, weil ich von dem Rechtsruck bei der Bundestagswahl 2017 schockiert war. Ich wollte aktiv werden gegen Rechtsextremismus und für politische Bildung und Meinungsvielfalt, die wichtige Hebel gegen jede Art von Extremismus sind, eintreten. Anstatt die Förderrichtlinien insgesamt anzupassen, zielte der Grünen-Stadtratsantrag in München darauf ab, lediglich für die Friedenskonferenz neue Maßstäbe zu setzen. Der Stadtratsantrag behindert eine offene und kritische Debattenkultur in der Friedens- und Sicherheitspolitik durch den Entzug von Fördergeldern und verletzt demokratische Grundprinzipien der Kommunalpolitik.

Könnte es den Ausschlag gegeben haben, dass die Friedenskonferenz den griechischen Ökonomen und Politiker Yanis Varoufakis sowie die irische EU-Parlamentarierin Clare Daly eingeladen hatte? Beide haben in scharfer Form die israelischen Kriegsverbrechen in Gaza verurteilt und müssen sich jetzt gegen Antisemitismusvorwürfe wehren.

Diese Vorwürfe werden nur von der Grünen-Stadtratsfraktion/Rosa Liste vorgetragen, und dies nur in ihrer Presseerklärung vom 14. Februar, nicht im Stadtratsantrag vom 1. Februar und nicht vom Kulturreferat. Die Friedenskonferenz ist eine internationale Konferenz. Es ist wichtig, international anerkannte Persönlichkeiten zu hören, alles andere würde einer Einschränkung der Meinungsfreiheit gleichkommen.

Haben Sie mit der starken militärischen Unterstützung der Ukraine durch die Grünen nicht schon länger Probleme gehabt?

Als Pazifistin, die eine Abneigung gegen jeden Krieg hat und erst einmal versucht, andere Lösungsmöglichkeiten zu suchen, war ich selbstverständlich sehr enttäuscht über diesen Kurs der Grünen. Ich war auch in Initiativen wie die »Unabhängige Grüne Linke«, »Gewaltfrei Grün« oder »Grüne Alternative« aktiv, die die ursprünglichen Grundwerte der Partei noch verteidigt und in der Partei darum gerungen haben. Hier war es möglich, zu diskutieren und Veränderungen anzustoßen.

Maria Feckl ist Leiterin der Münchner Friedenskonferenz

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