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Aus: Ausgabe vom 06.03.2024, Seite 4 / Inland
TAURUS-Abhöraffäre

Zufällig in der Leitung

TAURUS-Abhöraffäre: Regierung zieht Debatte auf die Ebene technischer Details
Von Karim Natour
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Muss sich erklären: Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Sonntag in Berlin

Nach der Veröffentlichung von Ausschnitten eines Gesprächs hochrangiger Luftwaffenoffiziere über mögliche Einsatzszenarien von TAURUS-Marschflugkörpern in der Ukraine bemüht sich die Bundesregierung weiter um Schadensbegrenzung. Dabei fällt das Bestreben auf, die Debatte zu entpolitisieren und nach Möglichkeit auf technische Aspekte auszurichten. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wies am Dienstag in Berlin Spekulationen zurück, wonach sich ein russischer Teilnehmer in die Konferenz eingeklinkt haben könnte. Diese soll über die Software »Webex« eingerichtet worden sein. Pistorius zufolge habe dabei ein »individueller Anwendungsfehler« vorgelegen: Einer der Teilnehmer, der aus Singapur zugeschaltet gewesen sei, habe sich nicht an das sichere Einwahlverfahren gehalten und sich über eine »nicht sichere Datenleitung« eingewählt.

Die Abhöraktion sei ein »Zufallstreffer«, die Kommunikationssysteme »nicht kompromittiert«. Gegen die Teilnehmer des Gesprächs – unter ihnen auch der Inspekteur der Luftwaffe – sind laut Pistorius disziplinarische Vorermittlungen eingeleitet worden. Da er aber seine »besten Offiziere« nicht »Putins Spielen opfern« wolle, seien keine personellen Konsequenzen geplant.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) versicherte am Dienstag gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die Schutzmaßnahmen gegen Spionage und Desinformation seien verstärkt worden. Am kommenden Montag will sich der Verteidigungsausschuss voraussichtlich mit der Affäre beschäftigen.

Die Union nutzte derweil die »Abhöraffäre«, um die zuvor erhobene Forderung nach einem »Nationalen Sicherheitsrat« zu erneuern. Der Bundesregierung fehle eine »gemeinsame Linie«, in ähnlichen »Krisenfällen« könne ein Sicherheitsrat die »politische Steuerung übernehmen«, so Henning Otte (CDU) gegenüber der Rheinischen Post vom Dienstag. Mit Blick auf eine mögliche Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern an die Ukraine sagte der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki, er sei »sicher«, die Union werde nächste Woche einen weiteren solchen Antrag stellen. Diesmal würden mehr FDP-Abgeordnete dafür stimmen als beim letzten Antrag der Unionsfraktion Ende Februar.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte vor einer Woche mit Verweis auf die drohende direkte Verwicklung der Bundesrepublik in den Krieg die Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine ausgeschlossen. Dass es sich bei dem »Nein« um eine vorübergehende Entscheidung handeln könnte, deutete nun der SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid an. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die »Regierung in der Zukunft zu einer anderen Abwägung« komme und sich »doch zu einer Lieferung« entscheidet, so der Außenpolitiker gegenüber Zeitungen der Mediengruppe Bayern (Dienstag). Bei Waffenlieferungen habe der Kanzler stets »seine Entscheidungen an die Entwicklung in der Ukraine angepasst«, zum Beispiel bei der Lieferung von Kampfpanzern. Die hatte Scholz zunächst ausgeschlossen, einer Lieferung aber später zugestimmt.

In einem Punkt herrscht fraktionsübergreifend Einigkeit: Dass deutsche Offiziere Angriffsszenarien für die Krimbrücke diskutierten, kurz nachdem der Kanzler die Lieferung der Marschflugkörper, die von der Ukraine aus auch Ziele in Moskau erreichen könnten, ausgeschlossen hatte, hält niemand für einen Skandal. Viel schwerer wiegt der mutmaßliche Versuch von »Putins Propagandaapparat«, durch die Veröffentlichung der Ausschnitte die Meinungsbildung in der Bundesrepublik zu »manipulieren« und die Gesellschaft zu spalten, wie es Faeser formulierte.

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  • Leserbrief von René Osselmann aus Magdeburg (7. März 2024 um 13:14 Uhr)
    An Heuchelei und Verlogenheit ist es wirklich nicht mehr zu überbieten, was hierzulande passiert, nachdem der russische Geheimdienst etwas zum Thema TAURUS-System veröffentlicht hat! Der Skandal an sich ist doch, was diese Offiziere verlauten lassen haben. Es ist eine Vorbereitung zu einem Krieg mit Russland und das ist doch nicht mehr zu ertragen! Wer sowas verheimlichen will und uns somit in einem großen (den letzten) Krieg treibt, der macht sich schuldig eines Verbrechens gegen die Menschheit! Es wird Zeit, dass wir uns diesem Wahnsinn entgegenstellen, bevor es zu spät ist! Es wird Zeit, dass wir Millionen zu den Ostermärschen aktivieren, denn es geht um unser aller Leben!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hermann T. aus 29451 Dannenberg/E. (6. März 2024 um 09:35 Uhr)
    Ebenso schlimm wie die Kriegsbesoffenheit des politischen Personals ist die Tatsache, dass Deutschlandfunk, ARD-aktuell, die Lohnschreiberlinge in den Mainstream-Medien mehrheitlich längst zu Komplizen geworden sind: Interviewpartner werden vollkommen einseitig ausgewählt, unkritisches Stichwort-Geben ist an die Stelle dessen getreten, was früher mal »Interview« war, agenda cutting und Übernahme des amtlichen Framings allerorten. Hochrangige Luftwaffenoffiziere besprechen im Jahre 2024 Szenarien, die in Übereinstimmung mit Baerbocks Ruinierungsphantasien auf die Wiederaufnahme des seinerzeit gescheiterten Vernichtungsfeldzugs von 1939 ff hinauslaufen, wobei sie die Tatbeteiligung einstweilen gerne noch vertuschen würden. Und statt den offensichtlichen Verstoß gegen das grundgesetzlich normierte Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges zu thematisieren und dem Herrn Pistorius (der die politische Verantwortung für die Angriffsphantasien seiner Luftwaffengenerale trägt) folgerichtig den Rücktritt nahezulegen, nehmen öffentlich-rechtlicher Zwangsbezahlfunk und die sog. Leitmedien der Republik dessen absurde Interpretation der Vorgänge dankbar auf: Alles nur »russische Desinformationspolitik, Teil der hybriden Kriegsführung«; es gehe Putin nur um Spaltung und darum »unsere Geschlossenheit zu untergraben«; jetzt »Putin nur nicht auf den Leim gehen«; der führe einen Informationskrieg und benutze den Mitschnitt, um zu destabilisieren. Mein Vorschlag für die schnelle Beendigung des Leidens der Menschen in der Ukraine: Den Taurus (Stückpreis 1 Mio. Euro) binden sich die notorisch kriegsgeilen, mit Steuergeld ausgehaltenen Sesselkombattanten des Bundestags und ihre Paladine in den Redaktionen um den Hals. Die Rüstungsrepublik Deutschland liefert ab sofort nur noch weiße Bettlaken zur Unterstützung der Ukraine. Das Stellvertretersterben findet endlich ein Ende und der erfolgreiche Abschluss des Unternehmens Barbarossa wird ein weiteres Mal vertagt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hermann T. aus 29451 Dannenberg/E. (5. März 2024 um 21:00 Uhr)
    Ebenso schlimm wie die Kriegsbesoffenheit des Polit-Personals und das Kriegsgeheul einer Strack-Zimmermann, eines Kiesewetter, eines Hofreiter ist die Tatsache, dass die sog. Vierte Gewalt mehrheitlich längst Komplizin bei Kriegsbeteiligung und Hochrüstungskurs geworden ist. Hochrangige Luftwaffenoffiziere besprechen im Jahre 2 der gewendeten Zeit Szenarien, die in Übereinstimmung mit Baerbocks Ruinierungsphantasien auf die Wiederaufnahme des seinerzeit gescheiterten Vernichtungsfeldzugs von 1939 ff hinauslaufen, wobei sie eine Tatbeteiligung einstweilen gerne noch vertuschen würden. Und statt den offensichtlichen Verstoß gegen das grundgesetzlich normierte Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges zu thematisieren und dem Herrn Pistorius (der die politische Verantwortung für die Angriffsphantasien seiner Luftwaffengenerale trägt) folgerichtig den Rücktritt nahezulegen, nehmen öffentlich-rechtlicher Zwangsbezahlfunk und Mainstream-Presse dessen absurdes Framing des ungeheurlichen Vorgangs dankbar auf: Alles nur »russische Desinformationspolitik, Teil der hybriden Kriegsführung«; es gehe Putin nur um Spaltung, darum, »unsere Geschlossenheit zu untergraben«; jetzt »Putin nur nicht auf den Leim gehen«; der führe einen Informationskrieg und benutze den Mitschnitt, um zu destabilisieren. Ja, für wie dumm muss dieser Minister sein Publikum halten? Und für wie dumm lassen sich die Redakteure von ARD-aktuell & Co. verkaufen? Mein Vorschlag für die schnelle Beendigung des Leidens der Menschen in der Ukraine: Den Taurus (Stückpreis 1 Mio. Euro) binden sich die notorisch kriegsgeilen Sesselkombattanten der Ganz Großen Kriegskoalition aus Politik und medialem Mainstream um den Hals. Des Weiteren liefert die Rüstungsrepublik Deutschland ab sofort nur noch weiße Bettlaken zur Unterstützung der Ukraine. Das Stellvertretersterben findet endlich ein Ende und der erfolgreiche Abschluss des Unternehmens Barbarossa wird ein weiteres Mal vertagt.

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