4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Die Micky-Maus-Verschwörung

Von Helmut Höge
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Plötzlich tragen die Teenager wieder T-Shirts und Hemden mit Micky Maus drauf. Wünschen sich jedenfalls die Modeketten, was Rätsel aufgab. In der Vergangenheit hatte der Disney-Konzern jede Entwendung seiner Comicfiguren geahndet. Hatten die Modeketten etwa die Rechte an Micky Maus gekauft, oder hatte der Disney-Konzern sie ihnen überlassen – als Werbemaßnahme, da die Donald- und Micky-Maus-Hefte bei den Millennials und ihren Nachgeborenen nicht mehr sonderlich gefragt sind?

Micky Maus war und ist ein elender Klugscheißer, zumal vor dem Hintergrund seines tumben Freundes Goofy. Aber Donald Duck, der zunächst 1931 als ein Freund von Micky Maus in Erscheinung trat, hatte mehr drauf. Donalds Zeichner Carl Barks schuf ab 1942 eine ganze Entensippe und um diese herum noch etliche weitere Figuren wie den Erfinder Daniel Düsentrieb (Gyro Gearloose) oder die unglückliche Panzerknackerbande (Beagle Boys Inc.). Sie alle wirkten im Universum Entenhausen (Ducksburg).

Donald, der sich in allen möglichen Berufen versucht, scheitert in den meisten seiner Geschichten. Wenn er doch einmal Erfolg hat, dann ist das Erreichte ganz anders als das Erträumte, so dass es auch einem Scheitern gleichkommt. Aber Donalds Credo und damit auch das der international organisierten Donaldisten lautet: »Scheitern, wieder aufstehen, wieder scheitern, wieder aufstehen usw., aber nie aufgeben!« Die »Deutsche Organisation nichtkommerzieller Anhänger des lauteren Donaldismus« (D. O. N. A. L. D.) beschäftigt sich in ihren Periodika nur mit den von Barks gezeichneten Geschichten, die von der Kunsthistorikerin Erika Fuchs, die ab 1951 Chefredakteurin des Micky-Maus-Magazins war, ins Deutsche übertragen wurden. In ihrer Heimatstadt Schwarzenbach an der Saale ehrte man sie 2012 mit einem »Erika-Fuchs-Haus – Museum für Comic und Sprachkunst«. Der heute für das FAZ-Ressort »Geisteswissenschaften« zuständige Donaldist Patrick Bahners hat über die vielschichtigen Forschungen der Donaldisten 2014 das schöne Buch »Entenhausen – die ganze Wahrheit« veröffentlicht.

Der kämpferische, aber leicht cholerische Donald hatte 1943 mit dem Zeichentrickfilm »Der Fuehrer’s Face« einen Oscar für sein Auftreten gegen Hitler und dessen Regime bekommen. Im Jahr zuvor hatte er bereits Propaganda für den Krieg gegen Deutschland gemacht – mit dem Zeichentrickfilm »Donald Gets Drafted«. Kurzum, Donald ist trotz seines autoritären Charakters ein Antifaschist, während Micky Maus zwar politisch korrekt ist, aber man glaubt ihm nicht.

Kann man sagen, dass die Micky-Maus-Figur wie die Faust aufs Auge auf die Mode der jetzigen Teenager passt? Aber wie ist sie dort hingekommen? Die frühe Version von Micky Maus aus dem Kurzfilm »Steamboat Willie« (1928) ist seit dem 1. Januar zumindest in den USA urheberrechtlich nicht mehr geschützt (in Deutschland allerdings weiterhin sehr wohl). Daraus folgere ich, dass die Modeketten aus Spanien und anderswo nur darauf gewartet haben und ihre Designer sofort beauftragten, Micky Maus auf ihren Produkten zu plazieren.

Der Verdacht drängt sich auf, dass es sich dabei um eine Verschwörung handelt, um die Micky-Maus-Verschwörung. Was machen zwei Mädchen mit Micky Maus auf der Brust, wenn sie sich begegnen? Grüßen sie sich auf sonderbare Weise, zwinkern sie sich zu? Wir müssen mit der Aufklärung bis zum Frühjahr warten, dann sind sie nicht mehr so eingemummelt und man sieht die Micky Mäuse. Es handelt sich um eine internationale Mädchenmode (im Zuge des Mittachzigerrevivals).

Machen die Jungs sie irgendwann mit oder nach – oder kontern sie mit Mickys ewiger Verlobter Minnie Maus oder gar mit seinem treudoofen Freund Goofy? In Albanien brachte man eine ganze Briefmarkenserie mit Goofy-Motiven heraus. Es gibt ihn auch noch als ständig lachenden Supergoof. Was für Asterix der Zaubertrank, das sind für Supergoof die Erdnüsse in seinem Garten. »Es passiert ihm aber regelmäßig, dass die Nüsse plötzlich aufhören zu wirken, während er sich noch in der Luft befindet«, heißt es auf Duckipedia.

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