Die Stadt des Lernens
Von Simon LoidlAm Donnerstag besuchten wir die Ciudad Escolar Libertad, eine am Stadtrand von Havanna gelegene Bildungseinrichtung, in der vorwiegend künftige Pädagoginnen und Pädagogen ausgebildet werden.
Derzeit lernen und wohnen 1107 Studierende auf dem Gelände, das tatsächlich einer kleinen Stadt gleicht. Neben Häusern, in denen die Vorlesungen stattfinden, gibt es Kantinen, Wohnheime, Kulturzentren sowie großzügige Parkanlagen und Grünflächen. Außerdem ist hier auch das Alphabetisierungsmuseum untergebracht, in dem die heroische Episode der Ausrottung des Analphabetismus in Kuba im Jahr 1961 dargestellt wird.
Die Schule bzw. Universität – hier lernen und forschen Abiturjahrgänge, Studenten und Doktoranden – hat selbst eine bewegte Geschichte. 1898 wurde auf dem Gelände die erste US-Kaserne in Kuba gegründet. Im März 1959 wurde die Kaserne wie viele andere im Land in eine Schule umgewandelt. Camilo Cienfuegos persönlich habe die Mauer zerstört, erzählt uns Sergio, der damals ein Teenager war und selbst an der Alphabetisierungskampagne teilgenommen hat. Auch Raquel, die vor einigen Tagen am jW-Stand auf der Buchmesse war, ist zufällig da.
Die Alphabetisierungsveteranen begleiten uns durch das Museum und erzählen uns von der Kampagne, die im Frühjahr 1961 begann. Mehr als 100 000 Menschen folgten damals dem Aufruf der revolutionären Regierung, sich am Kampf gegen die Leseunkundigkeit zu beteiligen. Das Durchschnittsalter der „Lehrer", die in Landgemeinden gingen, um Bauern und Arbeitern das Lesen und Schreiben beizubringen, bewegte sich zwischen 14 und 16 Jahren. Kinder unterrichteten damals Erwachsene. Die jüngsten Lehrer waren bei Beginn der Kampagne 7 Jahre alt, die ältesten Schülerinnen eine 102jährige und eine 106jährige Frau.
Durch die Erzählungen der Beteiligten und die Dokumente im Museum wird deutlich, wie wichtig die Kampagne nicht nur für das Land, sondern für jeden einzelnen Beteiligten war. Für jene, die endlich Lesen und Schreiben konnten, fing damals ein neues Leben an. Aber auch für die Jugendlichen, welche den Unterricht erteilten, war die Erfahrung prägend. Vor allem die damals beteiligten Frauen sagen heute, dass die Kampagne für ihre Emanzipation unglaublich wichtig war. Viele Väter waren strikt dagegen, dass ihre Töchter für mehrere Monate von zuhause weggingen. Zehntausende machten es trotzdem und erlangten durch die Unterrichtstätigkeit, aber auch durch die Tatsache, sich gegen ihre Väter durchgesetzt zu haben, ein Selbstbewusstsein, das für ihr gesamtes weiteres Leben von großer Bedeutung war.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!