4. Mai, Diskussion zu Grundrechten
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Aus: roter oktober, Beilage der jW vom 07.11.2007

90 Jahre Große Sozialistische Oktoberrevolution

Ein Triumph der Demokratie
Von Werner Pirker
Wladimir Koslinski, Matrose, 1919 (Linolschnitt)
Wladimir Koslinski, Matrose, 1919 (Linolschnitt)

Als das russische Proletariat im Februar 1917 die zaristische Selbstherrschaft zu Fall brachte, hat es sich nicht mit der Frage beschäftigt, welcher Art der Umsturz war, den es vollzog. Ob er in den Geschichtsbüchern als demokratische, bürgerliche oder bürgerlich-demokratische Revolution Eingang finden würde. Was die aufständischen Massen bewegte, war die Verheißung des Friedens und sozialer sowie politischer Emanzipation. Allein diesem, ihren elementarsten Bedürfnissen entsprechendem Programm wollten sie folgen. Um so verzweifelter versuchten die Revolutionsadvokaten, die Umwälzung in ihre bürgerlichen Grenzen zu verweisen.

Doch der bürgerlichen Demokratie liegt ein auf Dauer unlösbarer Widerspruch zugrunde: der Widerspruch zwischen Bourgeoisie und Demokratie. Im russischen Revolutionsjahr 1917 wurde dieser Antagonismus bis zum Ende ausgetragen. Die Oktoberrevolution hat stattgefunden, weil die Nach-Februar-Situation eine Klassenversöhnung nicht mehr zuließ. Sie hat vor allem stattgefunden, weil der soziale Instinkt der Unterschichten ein Organ hervorgebracht hat, das sie zur Machtausübung befähigte: die Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten – ein Parlament unter Ausschluß der Besitzerklassen. Dessen Zentrales Exekutivkomitee wurde freilich lange von den »Versöhnlern« beherrscht, die sich als Platzhalter der Bourgeoisie betätigten. Die Bourgeoisie aber wollte die Macht nicht teilen, sondern sie für das alte Regime zurückerobern. Deshalb stand 1917 in Rußland nicht die Frage Demokratie oder Fortsetzung der Revolution, sondern die Frage Fortsetzung der Revolution oder Kornilow-Diktatur. Hätte die Oktoberrevolution nicht gesiegt, mutmaßte Leo Trotzki später, dann hätte es ein russisches Wort für Faschismus gegeben.

Die dynamische Wechselwirkung zwischen den Sowjets als Ausdruck der Volkssouveränität und den Bolschewiki als der fortschrittlichsten Partei ist in der Mechanik bürokratischer Machtausübung verlorengegangen. Zu schlechter Letzt hat sich die Bürokratie auch noch die Dynamik des Zerfalls zunutze gemacht: als Subjekt eines auf neuen Ausbeutungsverhältnissen beruhenden Systems der sozialen Beziehungen.

Der Sturz der Kommunistischen Partei der Sowjetunion erfolgte im Namen der Demokratie. Die »Demokraten« nutzten im August 1991 den Obersten Sowjet noch einmal als »Aufstandsorgan«. Zwei Jahre später wurde er zerschlagen. Der Widerstand, den er dem Jelzin-Regime leistete, war sein letztes Grußwort an die Welt.

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