»Mit uns läuft das nicht mehr«
Von Gitta Düperthal, Frankfurt am MainEs war der bisher längste Warnstreik, den die Essenskuriere von Lieferando aus Frankfurt am Main und Offenbach am 1. Mai hingelegt haben: Von neun bis 21 Uhr waren sie im Ausstand. »Randale, Bambule, Frankfurter Schule!« skandierten die Kuriere in der Mainmetropole. »Ohne gute Stimmung geht bei uns nichts«, kommentierte der Frankfurter Betriebsrat Dennis lachend gegenüber junge Welt. »Wir feiern uns quasi in den Tarifvertrag hinein«. Den verweigert ihnen ihr Arbeitgeber, die Just Eat Takeaway GmbH, bislang.
Fest entschlossen zogen die Kuriere am Kampftag im Block der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) von der Frankfurter Hauptwache zur Kundgebung am Römer. Von insgesamt 7.000 Fahrern in Deutschland sind etwa 350 in Frankfurt und Offenbach tätig – manche als Minijobber, andere in Vollzeit. »Der Warnstreik war ein Erfolg«, bilanzierte NGG-Gewerkschaftssekretärin Anna Langensiepen am Mittwoch abend. Morgens und mittags sei quasi gar nichts geliefert worden, etwa die Hälfte der gesamten Belegschaft habe mitgestreikt. Auch abends gab es zum Teil noch erhebliche Schwierigkeiten bei der Auslieferung von Bestellungen, wie man auf der Lieferando-App sehen konnte.
»In Frankfurt und Offenbach sind die Betriebsräte gut organisiert. Sie geben den Puls vor«, lobte der zuständige Referatsleiter der NGG, Mark Baumeister. »Wir kommen jetzt in die heiße Phase. Wir beginnen hier, wo unsere besonders aktiven, selbstbewussten Betriebsräte sind, und werden danach in anderen Städten der Republik weitermachen.« Vorstellbar sei auch ein bundesweiter Aktionstag. Gerade nach der hohen Inflation der vergangenen Jahre sei ein Tarifvertrag mehr als überfällig. Seit über einem Jahr stelle sich Lieferando taub gegenüber den berechtigten Forderungen der NGG. Wut auf das Management hatten Lieferando-Fahrer bereits am vergangenen Freitag bei einer Kundgebung vor dem Unternehmenshauptsitz in Amsterdam kundgetan.
Wie unzufrieden die Fahrradkuriere sind, verdeutlichte der Frankfurter Betriebsrat Chayan: »Wir haben es satt, uns immer mit ›Boni‹ oder freiwilligen Leistungen wie Trinkgeldern abspeisen zu lassen.« Auch die aus Köln nach Frankfurt angereiste Betriebsrätin Sarah und ihr Kollege Benjamin kritisierten das derzeit gültige leistungsorientierte Modell. Es gebe hier und da eine Pauschale, doch nichts sei wirklich festgeschrieben. Kuriere seien abhängig davon, genug »Orders« (Bestellungen) zugewiesen zu bekommen – wenn nicht, gebe es nur den Mindestlohn von 12,50 Euro: »Das ist Willkür.« In Frankfurt gibt es ab der 26. Essenslieferung im Monat 25 Cent mehr, ab der 101. einen Euro. Erst ab der 201. Fahrt sind es zwei Euro mehr. Man meine offenbar, »uns wie Esel mit vorgehaltener Möhre« am Laufen zu halten, so Chayan wütend. Es gelte nun, »durch den Sommer zu kommen«: Wenn die Menschen öfter nach draußen gehen, werde eher weniger Essen bestellt. Den Bonus müsse man sich im Wettbewerb »erradeln«: »Aber mit uns läuft das nicht mehr. Die Leute haben es verstanden: Wir brauchen Zusammenhalt.«
»Wir sind mit Zähigkeit und Leidenschaft dabei«, betonte Betriebsrat Dennis. »Wir wollen öffentlich sichtbar machen, dass wir den Tarifvertrag brauchen.« Mark Baumeister von der NGG bekräftigte: »Wir wollen ihnen den Kühlschrank auffüllen und die Miete absichern.« Die Gewerkschaft fordert für die Kuriere mindestens 15 Euro pro Stunde garantiert, Zahlung eines 13. Monatsgehalts, angemessene Zuschläge für Schichten am Abend, an Sonn- und Feiertagen, volle Bezahlung der letzten Fahrt nach Hause sowie 0,50 Euro Kilometerpauschale netto für autofahrende Lieferanten.
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