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Aus: Ausgabe vom 03.05.2024, Seite 4 / Inland
Rechtstrend

Rassistische Materialsammlung

Niedersachsen: AfD blitzt mit Klage wegen Nennung von Vornamen ab
Von Kristian Stemmler
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Der Kampagnentraum der AfD ist mit der Namenslistenentscheidung vorerst geplatzt. Polizeieinsatz in der Silvesternacht auf dem Berliner Alexanderplatz (1.1.2024)

Es ist bei der AfD nicht unbemerkt geblieben, dass die Berliner CDU davon profitiert hat, vor der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus im Februar 2023 eine Debatte um die Veröffentlichung der Vornamen von Personen mit deutschem Pass zu inszenieren, die im Zusammenhang mit den »Silvesterrandalen« festgenommen worden waren. Die wenig verklausulierte Botschaft damals: Kriminell wird vor allem, wer migrantische Wurzeln hat. Seither versucht die AfD verstärkt, mit Hilfe ähnlich gelagerter Anfragen in Parlamenten Material für solche Argumentationen zu erhalten.

Am Donnerstag ist ein solcher Versuch gescheitert. Der niedersächsische Staatsgerichtshof in Bückeburg hat eine Klage des AfD-Landtagsabgeordneten Stephan Bothe abgewiesen, mit der er die »rot-grüne« Landesregierung zur Beantwortung einer Anfrage von Februar 2023 zwingen wollte. Damals hatte Bothe nach den Vornamen von 19 deutschen Tatverdächtigen der Silvesternacht 2022/2023 gefragt. Die Anfrage zielte darauf ab, öffentlich zu machen, dass es sich um Menschen mit Migrationsgeschichte handele.

Die Landesregierung hatte auf Bothes Anfrage lediglich Zahl und Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen mitgeteilt. Dass die Vornamen nicht genannt wurden, begründete die Regierung damit, dass es schutzwürdige Interessen der Betroffenen verletze. Es sei zu befürchten, dass die Betroffenen oder sogar unbeteiligte Dritte durch Nennung der Vornamen identifiziert beziehungsweise in deren Nähe gerückt werden könnten, argumentierte sie. Bothe sah sein Frage- und Informationsrecht verletzt und reichte Klage beim Staatsgerichtshof ein. Die Abgeordneten müssten »ihre Kontrollfunktion gegenüber der Landesregierung erfüllen können«, erklärte er nach der Verhandlung Anfang März.

Seine Ablehnung begründet das Gericht damit, dass die parlamentarische Bekanntgabe der Vornamen der Tatverdächtigen einen nicht zu rechtfertigenden und »unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedeuten und die staatliche Schutzpflicht für die körperliche Unversehrtheit missachten« würde.

Nach der Entscheidung erklärte der niedersächsische Innenstaatssekretär Stephan Manke, die Frage- und Informationsrechte der Mitglieder des Landtags seien »wichtige demokratische Instrumente, die wir keinesfalls geringschätzen«. Die Verfassung sehe aber vor, dass Informationen nicht weitergegeben werden dürften, wenn schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden.

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