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Aus: Ausgabe vom 29.04.2024, Seite 8 / Ausland
EU-Wahlen

»Das Parlament ist eine zahnlose Institution«

Die Partei MERA25 von Yanis Varoufakis tritt zur EU-Wahl an und will die EU »demokratisieren«. Ein Gespräch mit Karin De Rigo
Interview: Jamal Iqrith
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Durfte in Deutschland nicht zu Palästina sprechen: Yanis Varoufakis, MÉRA25-Spitzenkandidat für die EU-Wahl (Thessaloniki, 22.6.2023)

Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, zugleich Parteigründer und Spitzenkandidat von MERA25, ist wegen einer geplanten Rede im Zusammenhang mit dem verbotenen Palästina-Kongress vom 12. April in Berlin durch die Bundespolizei mit »einer Fahndungsausschreibung zur nationalen Einreiseverweigerung« belegt worden. Man hätte Varoufakis damit am Flughafen in Deutschland vermutlich die Einreise verweigert. Was wird Ihrem Parteikollegen vorgeworfen?

Varoufakis sollte bei dem Kongress eine Rede halten – über Zoom (Videokonferenzplattform, jW). Diese präventive Zensur ist unangemessen. Wir sind schockiert darüber, was passiert ist. Das betrifft aber nicht nur Varoufakis, sondern auch andere Referenten, die schikaniert und an der Teilnahme an der Veranstaltung gehindert wurden, wie zum Beispiel den Arzt Ghassan Abu Sitta. Für dieses Agieren besteht überhaupt keine Grundlage.

Wie hat man Ihnen gegenüber denn die Einreiseverweigerung begründet?

Uns liegt keine klare Aussage seitens des Bundesinnenministeriums vor. Die Behörde hat außerdem sehr lange gebraucht, um uns überhaupt eine Antwort zu übermitteln.

Varoufakis musste wegen der Maßnahme sogar eine geplante Wahlkampfveranstaltung in Hamburg absagen. Wie beurteilen Sie das Agieren der deutschen Behörden?

Die Veranstaltung war noch in der Vorbereitung, aber konnte schlussendlich nicht stattfinden. Das Vorgehen der Behörden ist unverhältnismäßig und für ein demokratisches Land unwürdig. Wie kann man mit jemandem, dem keine rechtswidrige Handlung vorgeworfen wird, derart umgehen?

Wird er Deutschland von nun an fernbleiben?

Vorerst ja. Aber in erster Linie wegen seiner Wahlkampagne in Griechenland.

DIEM25 ist eine paneuropäische Bewegung, die mit mehreren Parteien mit dem Namen MERA25 zu der EU-Wahl im Juni antritt. In welchen Ländern stellen Sie sich zur Wahl?

Wir treten zum 9. Juni in Griechenland, Deutschland und Italien an.

Und mit wie vielen Mandaten rechnen Sie jeweils?

In Italien sind wir Teil einer Koalition und hoffen daher, dort erfolgreich zu sein. Aber auch hier sehen wir, dass unsere Unterstützer sehr aktiv sind.

Warum treten Sie nicht wie andere mit einzelnen nationalen Parteien an?

Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, lassen sich nicht auf nationaler Ebene bewältigen. Auch die großen Unternehmen agieren ja international. Wenn wir diese erfolgreich regulieren wollen, sollte das international geschehen.

Haben Kandidaten in anderen Ländern Probleme mit den Behörden wegen politischer Positionen?

Tatsächlich nicht. Das ist nur in Deutschland der Fall.

In Ihrem Wahlprogramm fordern Sie eine Demokratisierung der EU. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wir wollen transparentere Prozesse und verpflichtende Veranstaltungen. Die gegenwärtige Aufrüstung, die auch von der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorangetrieben wird, ist brandgefährlich. Außerdem wollen wir diese Demokratisierung nicht nur in den Parlamenten, sondern auch in den Betrieben.

Das klingt sehr abstrakt. Was bedeutet das konkret in bezug auf die Institutionen der EU?

Wir planen, Gesetzte zu machen, damit die EU-Kommission dem EU-Parlament gegenüber verantwortlich ist. Aktuell ist das Parlament eine zahnlose Institution.

Die Zahl 25 in Ihrem Parteinamen steht für das Jahr 2025. Bis dahin soll die EU eine »demokratische Verfassung erhalten«, die alle EU-Verträge ersetzen soll. Halten Sie das für realistisch?

Die 25 war früher angedacht, um ein konkretes Ziel vorzugeben, auf das wir hinarbeiten können. Unsere Parteien werden wachsen, und wir werden weiter an einer neuen Verfassung arbeiten, auch über 2025 hinaus.

Karin De Rigo tritt als Spitzenkandi­datin für MERA25 Deutschland zu den EU-Wahlen am 9. Juni an

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