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Aus: Ausgabe vom 29.04.2024, Seite 2 / Ausland
Krieg in Osteuropa

Ukraine auf dem Rückzug

Schwere Angriffe auf Energieinfrastruktur. Scholz bleibt bei Nein zu »Taurus«
Von Jörg Tiedjen
UKRAINE-CRISIS-POWER.JPG
Gegnerische Infrastruktur als Ziel: Zerstörtes Kraftwerk in der Ukraine (12.4.2024)

Die Ukraine ist am Wochenende militärisch in arge Bedrängnis geraten. Wie Armeechef Olexander Sirskij am Sonntag nachmittag auf Telegram mitteilte, hätten die ukrainischen Truppen an drei Abschnitten der Front zurückweichen und neue Stellungen beziehen müssen. Erst kurz zuvor hatte das russische Militär gemeldet, den Ort Nowobachmutiwka in der Nähe der Stadt Awdijiwka »befreit« zu haben. Diese hatte Russland im Februar nach langen Kämpfen vollständig unter seine Kontrolle gebracht. Danach hatte die russische Armee schnell an Boden gewonnen, während der ukrainischen Armee aus Mangel an Munition und Soldaten nur die Defensive blieb.

In der Nacht zu Sonnabend hatten die Kriegsparteien ihre Angriffe auf die Energieinfrastruktur des Gegners fortgesetzt. Vier Heizkraftwerke seien bei »massiven« russischen Angriffen stark beschädigt worden, erklärte der ukrainische Energieversorger DTEK. Der ukrainische Energieminister German Galuschtschenko schrieb auf Facebook von Schäden durch russische Angriffe, insbesondere an Energieanlagen in den Regionen Dnipropetrowsk, Iwano-Frankiwsk und Lwiw. Der Stromversorger Ukrenergo erklärte, er habe seine Hauptstromleitung im Westen des Landes vorsorglich gesperrt, und forderte die Bevölkerung erneut zum Stromsparen auf.

Die Ukraine meldete zugleich, dass sie in der Nacht auf Sonnabend ihrerseits zwei Ölraffinerien und einen Militärflugplatz in der südrussischen Region Krasnodar erfolgreich angegriffen habe. Die russischen Behörden hatten zuvor einen Brand in einer Raffinerie in der Stadt Slawjansk-na-Kubani gemeldet. Demnach musste die Anlage ihre Produktion daraufhin teilweise einstellen. Auch in der Nacht zu Sonntag will die russische Luftverteidigung zahlreiche ukrainische Drohnen abgefangen haben.

Polens Außenminister Radosław Sikorski setzt nach der Lieferung weitreichender US-Raketen an die Ukraine darauf, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seine Meinung ändert und Kiew doch noch deutsche »Taurus«-Marschflugkörper zukommen lässt. Bei einem »Bürgerdialog« in Lüneburg am Sonnabend wiederholte Scholz allerdings seine Absage, der Ukraine die entsprechenden Waffen zu liefern. Er befürchtet, dass Deutschland bei Bereitstellung der Raketen mit einer Reichweite von mehr als 500 Kilometern in den Krieg hineingezogen werden könne.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (30. April 2024 um 09:32 Uhr)
    Das Grundgesetz der Kriegsführung besagt: Revolutionen sind nicht anzutreffen, sondern lediglich Evolution. Dies wird eindrucksvoll im Ukraine-Krieg verdeutlicht. Hier erlebt die Artillerie ihr Comeback als die unangefochtene Herrscherin auf dem Schlachtfeld. Der Ukraine-Krieg deutet bereits den kommenden Maßstab für weitreichendes Feuer an: mobile Raketen-Systeme mit einer Reichweite von 300 Kilometern und mehr. Auf diese Weise kann die feindliche Infrastruktur im Hinterland zerschlagen werden, um die Front zu halten. Der aktuelle Feuerkraftvorteil Russlands wird auf das Verhältnis 8:1 geschätzt!
    Der Aufstieg der Drohnen zum globalen Instrument der Kriegsführung wurde bereits in den vergangenen Jahrzehnten in Konflikten wie in Syrien, Libyen und vor allem Berg-Karabach deutlich. Dort wurden wenige Kampfdrohnen zu entscheidenden Faktoren, insbesondere wenn die Luftverteidigung des Gegners schwach war und keine Aufrüstung möglich war. In der Ukraine erweisen sich Drohnen erstmals als unverzichtbar, um in einem Krieg der Erosion zu bestehen. Sowohl Russland als auch die Ukraine benötigen sie in großen Stückzahlen – sei es für die schnelle Aufklärung neuer Feindstellungen oder als »herumlungernde Munition«, die ihr Ziel selbstständig sucht, im Volksmund als Kamikazedrohnen bekannt. In diesem Bereich hat auch Russland klar die Nase vorn.
    Britische Militärexperten warnen bereits davor, dass westliche Spitzentechnologien sich leider als kriegsuntauglich erweisen. Sowohl westliche Panzer als auch Kampfflugzeuge sind sehr serviceintensiv konzipiert, was im Kriegsfall kaum umsetzbar ist. Für eine Flugstunde mit einer F-16 sind mehrere Hundert Stunden Wartung erforderlich! Zudem benötigen diese Kampfflugzeuge spiegelglatte und staubfreie Start- und Landebahnen, die in der Praxis nur von Flugzeugträgern gewährleistet werden können. Daher müssen die auf Gewinn ausgerichteten Militärprogramme des Westens künftig praxistauglicher gestaltet werden.
    Wo Russland in jüngster Zeit noch erhebliche Fortschritte und Vorteile erzielt hat, ist im Bereich der Elektronischen Kampfführung (EloKa) (Englisch EW, electronic warfare). Dies umfasst Fernmelde- und elektronische Aufklärung (Fm/EloAufkl) sowie den elektronischen Kampf (EloKpf). Dabei werden gegnerische elektromagnetische und akustische Signale erfasst und ausgewertet. Maßnahmen wie Stören, Täuschen und Neutralisieren werden eingesetzt, um die Fähigkeiten eines Gegners zur elektronischen Führung, Aufklärung und Wirkung seiner Kräfte und Mittel einzuschränken, abzulenken oder auszuschalten. Gleichzeitig ermöglicht die elektronische Kampfführung die Nutzung des elektromagnetischen und akustischen Spektrums zur Führung eigener Kräfte und sichert die Einsatzmöglichkeiten von Aufklärungs- und Waffensystemen durch elektronische Schutz- und Gegenmaßnahmen.

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