Nationalisten in der Krise
Von Dieter ReinischSchottlands Nationalisten sind in eine Krise geschlittert, nachdem sie am Donnerstag die Koalition mit den Grünen aufgekündigt hatten. Regierungschef Humza Yousaf muss sich noch diese Woche zwei Misstrauensvoten stellen. Ob er sie gewinnt, wird zunehmend unwahrscheinlicher. Dem Koalitionsbruch war eine Debatte über die Aufweichung von Klimaschutzzielen und Rechten von trans Personen zwischen Schottischer Nationalpartei (SNP) und Grünen vorausgegangen.
Wahlen will die SNP um jeden Preis verhindern, denn die Umfragen sagen eine Wahlniederlage voraus. Labour könnte einige der Sitze zurückerobern, die die Partei in den vergangenen beiden Jahrzehnten an die Nationalisten verloren hat.
Das politische Überleben von Yousaf wollte ausgerechnet der ehemalige langjährige SNP-Chef Alex Salmond sichern. Er hatte mit seiner neuen Partei Alba Unterstützung für die SNP angeboten. Im Gegenzug wollte er einen Pakt schließen, der Alba in bestimmten Wahlkreisen sichere Sitze zugesagt hätte, indem die SNP dort keine Kandidaten aufstellen würde. Dies lehnt die SNP jedoch ab, wie die Times in der Nacht auf Sonntag mitteilte.
Die Scottish Sun hatte aus dem Umfeld von Yousaf berichtet, dass dieser es als »Phantasie« ansehe, einen Pakt mit der ehemaligen SNP-Gallionsfigur Salmond zu schließen. Ein Pressesprecher von Yousaf sagt, es bestehe »keine Möglichkeit, dass der Erste Minister mit Alex Salmond einen solchen Deal abschließt«. Salmond, der Alba 2021 im Zuge einer parlamentarischen Untersuchung zum Umgang der schottischen Regierung mit gegen ihn eingereichten Beschwerden wegen sexueller Belästigung gründete, hatte zuvor der Times gesagt, dass der Preis für die Unterstützung seiner Partei ein Pakt bei den nächsten Wahlen sein würde. Nun muss Yousaf auf die Unterstützung des bisherigen Koalitionspartners hoffen. Doch durch den Bruch der Koalition mit den schottischen Grünen hatte die Regierungskrise vergangene Woche überhaupt erst begonnen.
BBC berichtete am Sonntag morgen, Yousaf habe an die Oppositionsparteien geschrieben und sie gebeten, vor der Vertrauensabstimmung eine »gemeinsame Basis« zu finden. Glück dürfte er damit nicht haben: Die konservativen Tories sprachen gegenüber BBC von einer »Demütigung und Peinlichkeit« für Yousaf, während Labour einen »Akt der Verzweiflung« sah. Yousaf gestand daher gegenüber Sky News ein, dass es bald zu Neuwahlen in Schottland kommen könne. Er habe aber nicht die Absicht zurückzutreten. Der nächste reguläre Wahltermin ist erst im Mai 2026.
Die Regierungskrise in Schottland begann am Donnerstag: Überraschend kündigte Yousaf den als Bute House Agreement bekannten Koalitionsvertrag mit den Grünen auf, den seine Vorgängerin Nicola Sturgeon 2021 unterzeichnet hatte. Die Entscheidung führte zu wütenden Vorwürfen seitens der Grünen, die später erklärten, sie würden einen Misstrauensantrag der schottischen Konservativen gegen den Ersten Minister unterstützen. Auch Labour wird in den kommenden Tag einen eigenen Misstrauensantrag einbringen, der aber weiter geht als jener der Tories: nicht nur gegen Yousaf, sondern die gesamte Regierung.
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