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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 7 / Ausland
Irans Angriff auf Israel

Vergeltung beschlossen

Nach Irans Angriff auf Israel: Tel Avivs Kriegskabinett kündigt Reaktion an. Westen verurteilt ausschließlich Teheran
Von Knut Mellenthin
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Raketenabwehrsystem im Einsatz, nachdem Iran Drohnen und Raketen auf Israel geschossen hat (Aschkelon, 14.4.2024)

Unterschiedlicher könnten die Erzählungen über den iranischen Großangriff mit mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern auf Israel kaum sein: Die israelischen Streitkräfte behaupten, sie hätten in der Nacht zum Sonntag im Zusammenwirken mit Kampfjets der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens 99 Prozent der Geschosse zerstört. Das einzige Opfer sei ein arabisches Mädchen, das lebensgefährlich verletzt worden sei. Außerdem habe es geringfügige Beschädigungen auf dem Gelände des Luftwaffenstützpunkts Nevatim am Nordrand der Negevwüste gegeben.

Im Gegensatz dazu verbreitet das iranische Korps der Islamischen Revolutionsgarden (IRGC), dass durch die »Operation Gehaltenes Versprechen«, die sich ausschließlich gegen militärische Ziele gerichtet habe, erhebliche Schäden an mehreren Stützpunkten in verschiedenen Teilen Israels entstanden seien, die allerdings zunächst noch ausgewertet werden müssten. Alle eingesetzten Raketen mit Überschallgeschwindigkeit hätten das israelische Luftabwehrsystem überwinden können und ihre Ziele getroffen. Es fehlt bei dieser Darstellung jedoch der Hinweis, wie viele solcher Raketen an der Operation beteiligt waren.

Eine Sitzung des israelischen Kriegskabinetts, bei der über Israels militärische »Antwort« auf den iranischen Angriff diskutiert wurde, endete am Sonntag ohne Bekanntgabe eines Ergebnisses. Die Beratung sollte am Montag nachmittag fortgesetzt werden. Dem kleinen Gremium, bei dem während des Krieges sehr viel Entscheidungsmacht konzentriert ist, gehören als stimmberechtigte Mitglieder nur Premierminister Benjamin Netanjahu, Verteidigungsminister Joaw Gallant an (beide von der Likud-Partei) sowie der Vorsitzende der umfragenstärksten Oppositionspartei, der frühere Generalstabschef Benjamin Gantz.

Israelische Medien berichteten am Sonntag, dass das Kriegskabinett sich über die Notwendigkeit einer »Vergeltung« einig sei, aber noch Meinungsverschiedenheiten über deren Zeitpunkt und Größenordnung bestünden. Die Onlinetageszeitung Times of Israel behauptete, dass Gantz und Gadi Eisenkot – ebenfalls ein ehemaliger Generalstabschef, der im Kriegskabinett Beobachterstatus hat – schon während des iranischen Großangriffs »Gegenschläge« befürwortet hätten, aber dass Gallant, der amtierende Generalstabschef Herzl Halevi und andere Militärs sich dagegen ausgesprochen hätten. Das Büro des Premierministers bezeichnete diese Darstellung jedoch als »Gegenteil der Wahrheit«. In einem Videostatement sagte Gantz, dass Iran »auf eine Weise und zu einem Zeitpunkt, die für uns richtig sind, den Preis zahlen« werde, aber dass zunächst »die Bildung einer regionalen Koalition« Vorrang habe. Deutlich und scharf sprachen sich die Hauptvertreter der extremen Rechten in der Regierungskoalition, Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich, für harte Militärschläge gegen Ziele im Iran aus, »um die Abschreckung wiederherzustellen«.

Gleichzeitig setzt die US-Regierung ihre Anstrengungen fort, im UN-Sicherheitsrat eine eindeutige und einseitige Verurteilung Irans zu erreichen. In seiner Erwiderung warf der russische Vertreter bei den Vereinten Nationen, Wassili Nebensja, den westlichen Staaten »Heuchelei und doppelte Standards« vor. Eine Verurteilung der israelischen Aktion, die dem iranischen Großangriff zugrunde lag – die gezielte Tötung von sieben hochrangigen Offizieren der IRGC in der syrischen Hauptstadt Damaskus am 1. April – war im Sicherheitsrat an der Ablehnung der USA gescheitert.

Einfacher war die Sache bei einer Videokonferenz der G7-Staaten, die am Sonntag auf Antrag der US-Regierung stattfand: In einer gemeinsamen Stellungnahme wurde »Irans direkter und beispielloser Angriff« auf Israel »in schärfster Form« verurteilt und Israel der »vollen Solidarität und Unterstützung« der Gruppe versichert, die aus den USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Italien, Japan und Kanada besteht.

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  • Leserbrief von Rudi Eifert aus Langenhagen (16. April 2024 um 17:03 Uhr)
    Ursachenforschung wird in westlichen Medien beschämenderweise unter den Teppich gekehrt. Der Iran wird als einziger Aggressor dargestellt, was ja auch bezeichnenderweise zur Denkweise des Westens gehört. Wie alles anfing? Israel greift die iranische Botschaft mit mehreren Toten in Syrien an, praktisch ein exterritoriales Gebiet, das iranisches Staatsgebiet darstellt. Somit ein direkter Angriff auf den Iran und gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung. Dass der Iran in einer moderaten und auch angekündigten Weise mit Drohnen reagiert, ist schon mal ein Beweis dafür, dass die Mullahs keine massive Konfrontation mit dem verhassten Israel haben will. Man stelle sich nur vor, eine US- oder israelische Botschaft wäre irgendwo auf der Welt angegriffen worden: Die Konsequenzen wären brutal und massiv gewesen. Zweierlei Maß, zweierlei Moral in einer beispiellos heuchlerischen und verlogenen Welt. Der wohl zu erwartende Vergeltungsschlag der Israelis gegen den Iran klammert ganz bewusst die besagte Ursache für den ganzen Konflikt aus, denn diente sie der Wahrheitsfindung, hätte die ewig gepredigte Opferrolle Israels ihren Sinn verloren.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (16. April 2024 um 10:44 Uhr)
    Es lässt sich feststellen und annehmen, dass der Iran nicht der Hauptverursacher des Palästina-Konflikts ist und somit nicht die Hauptverantwortung trägt. Die Reaktion des Irans auf die Bombardierung seiner Botschaft in Damaskus durch die Israelis erschien vergleichsweise besonnen. Trotz des Einsatzes einer beträchtlichen Anzahl von Drohnen und Raketen wirkte der Angriff des Irans nicht wie ein Akt absoluter Entschlossenheit. Im Gegenteil, die Flugobjekte, die teilweise mit der Geschwindigkeit eines Mittelklassewagens durch den Nahen Osten flogen, benötigten oft Stunden, um den israelischen Luftraum zu erreichen. Dies minderte den Überraschungseffekt der Operation und gab den Verteidigern ausreichend Zeit, darauf zu reagieren. Der Iran erklärte sogar, den Konflikt für beendet zu halten. Nun hängt alles davon ab, wie Israel reagieren wird. Sollten die Israelis erneut gegen den Iran vorgehen, wird dies eine neue Geschichte sein. Nicht ohne Grund warnen die USA Israel vor einem erneuten Angriff auf den Iran. Doch Israel benötigt nicht nur militärische Unterstützung zum Überleben, sondern auch Freunde, die friedliche Lösungen suchen. Dies muss in der gleichen Geschwindigkeit geschehen, wie Raketen fliegen.

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