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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 6 / Ausland
»Feind der Vereinigten Staaten«

Agent für Kuba wechselt Seite

15 Jahre Haft für früheren US-Botschafter. Mildes Urteil wegen Zusammenarbeit mit Washington
Von Volker Hermsdorf
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Zum Verhängnis geworden: Rocha im Videogespräch mit einem verdeckten FBI-Ermittler (17.2.2023)

Der hochrangige ehemalige US-Diplomat Victor Manuel Rocha ist am Freitag (Ortszeit) von einem Bundesgericht in Miami zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Dem Exbeamten, der unter anderem von 1995 bis 1997 stellvertretender Leiter der US-Interessenvertretung in Havanna und von 2000 bis 2002 US-Botschafter in Bolivien war, wurde vorgeworfen, jahrzehntelang als Informant für Kuba tätig gewesen zu sein. Nachdem ein verdeckter FBI-Ermittler mit Decknamen Miguel sein Vertrauen gewonnen hatte, war er im Dezember verhaftet worden. Zum Abschluss des Prozesses bezeichnete Richterin Beth Bloom den Verurteilten als »Feind der Vereinigten Staaten«.

Obwohl US-Generalstaatsanwalt Merrick B. Garland nach der Festnahme erklärt hatte, der Fall sei »eine der weitreichendsten und dauerhaftesten Infiltrationen durch einen ausländischen Agenten«, war Rocha nicht als Spion angeklagt worden. Statt dessen wurde er wegen Verschwörung zum Betrug an der US-Regierung und der Tätigkeit als illegaler ausländischer Agent verurteilt. Nach dem »Foreign Agents Registration Act« hätte er seinem Dienstherrn die »Nebentätigkeit« für eine ausländische Regierung offenlegen müssen. Für diese Taten erhielt er die jeweiligen Höchststrafen von fünf und zehn Jahren. Wie die in Miami erscheinende Tageszeitung Nuevo Herald berichtete, hatte Rocha sich im Rahmen einer Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft für schuldig im Sinne beider Anklagepunkte erklärt. Im Gegenzug – für das nach Ansicht von Richterin Bloom zu geringe Strafmaß – habe er zugesichert, die US-Regierung bei Ermittlungen gegen Kuba zu unterstützen. Dem Bericht zufolge ist bis heute unklar, »woher das FBI wusste, dass Rocha ein kubanischer Maulwurf war«. Laut Anklageschrift verfügte die Behörde allerdings über Informationen, die ihrem Undercoveragenten dabei halfen, das Vertrauen von Rocha zu erschleichen.

Der heute 73jährige wurde 1950 in Kolumbien geboren und war als Kind mit seiner Mutter in die USA gekommen. In einer Arbeiterfamilie in New York aufgewachsen, absolvierte er die Eliteunis Harvard und Yale mit Auszeichnung. Laut US-Staatsanwaltschaft wurde der junge Mann nach dem von der CIA organisierten Sturz des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende 1973 in Chile vom kubanischen Geheimdienst kontaktiert. Rochas Laufbahn im US-Außenministerium begann acht Jahre später. Neben Tätigkeiten in Italien, Honduras, Mexiko und der Dominikanischen Republik arbeitete er zwischen Juli 1994 und Juli 1995 im Büro für interamerikanische Angelegenheiten des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses und war von etwa 2006 bis 2012 Berater des Kommandanten des Südkommandos der US-Streitkräfte (Southcom), dem alle militärischen Operationen der USA in Lateinamerika sowie die Kontrolle von Medien- und Internetaktivitäten unterstehen.

Die Erfahrungen in Chile und die intimen Kenntnisse der Aktivitäten von US-Diensten, Militärs und diplomatischen Einrichtungen in Lateinamerika dürften seine Entscheidung beeinflusst haben, für Kuba tätig zu sein. Während der »Sonderperiode« nach Auflösung der Sowjetunion und der sozialistischen Länder Osteuropas hatte Rocha in leitender Position an Washingtons Vertretung in Havanna schließlich auch die verheerenden Auswirkungen der US-Blockade auf die kubanische Bevölkerung miterlebt. In Gesprächen mit dem verdeckten FBI-Ermittler Miguel soll er die US-Regierung später mehrfach als »der Feind« bezeichnet haben.

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