Terrorvorwürfe ziehen Kreise
Von Carmela NegreteDer katalanische Journalist Jesús Rodríguez vom linken Medium La Directa hat sich in die Schweiz ins Exil abgesetzt. Ebenso wie der frühere Präsident Kataloniens, Carles Puigdemont, wird Rodríguez des Terrorismus im Rahmen des Falls »Tsunami« beschuldigt. Etliche weitere Mitangeklagte haben bereits in der Alpenrepublik Schutz gesucht.
Im Fall von Rodríguez geht es nicht nur darum, eine politische Bewegung zu kriminalisieren, es handelt sich auch um einen schweren Eingriff in die Pressefreiheit. La Directa ist die Wochenzeitung einer linken Genossenschaft aus Katalonien. Der langjährige investigative Journalist Rodríguez recherchierte zu Korruption in der Polizei, zuletzt enttarnte der Reporter mehrere Beamte, die sich in soziale Bewegungen eingeschleust hatten und sogar intime Beziehungen mit den bespitzelten Aktivisten eingegangen waren. Das dürfte für Ärger bei der Polizei und im Sicherheitsapparat gesorgt haben.
Die Anschuldigungen, die gegen Rodríguez sowie 26 weitere Journalisten erhoben werden, beziehen sich teilweise allein auf das Informieren über Protestaktionen der Gruppe »Tsunami Democràtic«. Sie hat sich gegen die Illegalisierung des katalanischen Unabhängigkeitsreferendums 2017 organisiert, infolge einer rechtswidrigen Blockade des Flughafens in Barcelona 2019 wird der Gruppe Terrorismus vorgeworfen. Für Rodríguez sind die Anschuldigungen der spanischen Justiz »ein eindeutiger Angriff auf das Recht auf Information und alle anderen Medien«. Der Anwalt Dani Amelang erklärte am Donnerstag bei einem öffentlichen Event in Solidarität mit Rodríguez, dass die »Einstufung als Terrorismus ein Missbrauch dieses Straftatbestands« sei. Für den Autoren Enric Borràs ist es »ein Angriff auf den Journalismus, der nach Rache riecht«.
Viele der Angeklagten haben sich ins Ausland abgesetzt und warten auf das von der spanischen Zentralregierung angekündigte Amnestiegesetz für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter. Dieses kann aber nicht greifen, wenn es sich um Terrorismus handelt. Spekuliert wird, dass dies den Hintergrund für die schweren Vorwürfe bildet. Unter den Exilanten sind auch Abgeordnete der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC). Neben Ruben Wagensberg ist das auch die Generalsekretärin von ERC, Marta Rovira, und der Aktivist von Òmnium Cultural, Oleguer Serra. In der Schweiz wollen sie ihre Verteidigung vorbereiten.
Die Kriminalisierung der Proteste von »Tsunami Democràtic« bilde einen gefährlichen Präzedenzfall, wie mehrere Menschenrechtsorganisationen befürchten. »Die Untersuchung gegen Tsunami ist ein direkter Angriff auf das Recht auf Versammlungsfreiheit«, erklärte etwa das Zentrum Irídia gegenüber der Tageszeitung Publico. Damit wolle man eine Warnung an alle anderen senden, an die gesamte Zivilgesellschaft, um zu sagen, dass ihr Demonstrationsrecht beschränkt werden kann. Diese Einschüchterungstaktik sei erfolgreich und eine dadurch auferlegte Selbstzensur bereits teilweise präsent.
Die Anklage führt der sehr umstrittene Richter Manuel García-Castellón: Er hat sogar zugegeben, in der Vergangenheit Frankreich belogen zu haben, um Informationen über Mitglieder der baskischen Untergrundorganisation ETA zu bekommen, wie im Februar bekanntwurde; und er hat in einem Fall von Korruption der konservativen Volkspartei Beweise »übersehen«. Darüber hinaus gibt es auch das sogenannte Maulkorbgesetz, das noch immer nicht abgeschafft wurde und hohe Strafe für Proteste vorsieht – ein bisher uneingelöstes Versprechen der Regierung von Pedro Sánchez.
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