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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 4 / Inland
Krise im Nahen Osten

Berlin bremst ein bisschen

Regierungsvertreter raten Israel von Angriff auf Irans Territorium ab, plädieren für verschärfte Sanktionen
Von Kristian Stemmler
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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) am Sonntag in Berlin

Der Beschuss militärischer Ziele in Israel mit Hunderten Drohnen und Raketen durch den Iran hat auch in der Bundespolitik zu zahlreichen Reaktionen geführt. Dabei fällt auf, dass zumindest von den Regierungsparteien vorsichtig signalisiert wird, dass Berlin kein Interesse an einer eskalierenden israelischen »Antwort« hat. Der offizielle Standpunkt der Regierung ist, der iranische Beschuss sei »durch nichts zu rechtfertigen«, wie eine Regierungssprecherin am Montag in Berlin erklärte. Die Bundesrepublik stehe weiterhin eng an der Seite Israels. Aus Shanghai meldete sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Wort und lobte die nahezu vollständige Zerstörung der rund 300 vom Iran abgeschossenen Drohnen und Raketen als »Erfolg, der vielleicht auch nicht verschenkt werden sollte«. Scholz riet der israelischen Regierung, »selbst zur Deeskalation beizutragen«.

Dank seiner starken Luftabwehr und des »beherzten Eingreifens« der USA, Großbritanniens und arabischer Staaten habe Israel gesiegt, jubelte Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Konferenz in Paris. Diesen »Defensivsieg« gelte es jetzt diplomatisch abzusichern. »Unsere Priorität muss dabei sein, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern«, sagte Baerbock. Sie setze darauf, dass Israel bei einer möglichen Reaktion auf den Angriff internationales Recht einhält. Vergeltung sei »keine Kategorie im Völkerrecht«, so die Ministerin.

Unterhalb der militärischen Eskalation will Baerbock allerdings den Druck auf Teheran durchaus weiter erhöhen. Am Sonntag forderte sie in der ARD-Sendung »Brennpunkt« eine Verschärfung der Sanktionen. Außerdem wurde am Montag der iranische Botschafter in Berlin, Mahmoud Farazandeh, einbestellt, was ein Sprecher des Auswärtigen Amts gegenüber Journalisten bestätigte. Derselbe Sprecher wollte sich erneut nicht dazu äußern, ob die Bundesregierung Erkenntnisse über die Verantwortlichen für die Zerstörung eines iranischen Botschaftsgebäudes in der syrischen Hauptstadt am 1. April hat. Auf diesen Bruch internationalen Rechts durch Israel reagierte Teheran mit dem Angriff vom Wochenende.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Johann Wadephul riet Israels Regierung von einer Eskalation ab. »Wir hoffen, dass es Zurückhaltung gibt«, sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Die Gefahr bleibe »bedauerlicherweise hoch, weil man schon davon ausgehen muss, dass Israel reagiert«. Ein »zweiter voll entflammender Krieg hier ganz in der Nachbarschaft zu Europa« wäre für alle eine Katastrophe. Wadephul erklärte sogar, man finde »schon seit längerer Zeit« nicht alles richtig, »was die Regierung Netanjahu im einzelnen macht«.

Einmal mehr als Scharfmacher präsentierte sich dagegen Wadephuls Parteifreund Roderich Kiesewetter. Der Bundestagsabgeordnete forderte gegenüber Phoenix von der Bundesregierung ein Umdenken im Umgang mit dem Iran. Es gebe »überhaupt keine Hinweise darauf«, dass Teheran das Existenzrecht Israels »auch nur in Ansätzen anerkennt«. Daher müsse man »eine gewisse Romantik« aufgeben, zu glauben, dass der Iran – erneut – ein Nuklearabkommen unterzeichnen werde. »Europa« müsse sich mit mehr Sanktionen »ganz eng« an die Seite Israels stellen. In dieselbe Kerbe schlug Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Er forderte am Montag im ZDF-»Morgenmagazin«, dass die EU die iranischen Revolutionsgarden »als Terrororganisation« einstuft.

Konstantin von Notz, Grünen-Fraktionsvize, forderte derweil erneut die Schließung des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Der Trägerverein unterstütze die mit Iran verbündete Hisbollah im Libanon. Notz erklärte gegenüber der Welt (Montag), er erwarte, dass »alle rechtsstaatlichen Mittel« umgehend ausgeschöpft werden, um das IZH »endlich zu verbieten und jegliche Aktivitäten zu unterbinden«.

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