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Aus: Ausgabe vom 16.04.2024, Seite 4 / Inland
Palästina-Kongress

Repression hält an

Berlin: Polizeigewalt gegen Palästina-Protestcamp. Innenministerium schmallippig zu Kongressverbot
Von Jamal Iqrith
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Bereit zur Eskalation: Polizei am Montag beim Palästina-Protestcamp vor dem Reichstagsgebäude in Berlin

Auch nach dem Verbot des Palästina-Kongresses am Wochenende geht die staatliche Repression gegen die Solidaritätsbewegung unvermindert weiter. Am Sonntag abend ist es laut Augenzeugenberichten bei einem Protestcamp vor dem Reichstagsgebäude zu Polizeigewalt gekommen. Vergangenen Montag hatten Aktivisten die angemeldete Mahnwache unter dem Titel »Besetzung gegen Besatzung« errichtet und kampieren seitdem vor dem Parlamentsgebäude, um gegen die »deutsche Beteiligung am Völkermord in Gaza« zu protestieren.

»Als auf arabisch gerappt wurde, stürmten Polizisten aus verschiedenen Richtungen auf die Menge zu und schlugen Menschen brutal zu Boden«, berichteten mehrere Augenzeugen am Montag gegenüber junge Welt. Auf Videos, die jW vorliegen, ist zu sehen, wie mehrere Verletzte von Sanitätern versorgt werden mussten. Laut AFP wurden 13 Demonstranten wegen des Einsatzes von Tränengas verletzt und acht Personen festgenommen. Laut Polizeiangaben eskalierte die Situation, nachdem Einsatzkräfte einen 29jährigen Redner nach »mehrfachem Gebrauch einer nicht näher genannten verbotenen Parole festgenommen hatten«. Man lasse sich von der »offensichtlich gezielt eingesetzten Gewalt« nicht einschüchtern, so eine Augenzeugin.

Indes haben die Veranstalter des Kongresses laut eigenen Angaben Rechtsmittel gegen das Vorgehen der Behörden eingelegt. Die Berliner Polizei hatte die Veranstaltung am Freitag kurz nach Beginn abgebrochen und verboten. Als Grund hatte die Versammlungsbehörde eine per Video übertragene Rede des palästinensischen Geographen Salman Abu Sitta angeführt, für den in Deutschland angeblich ein politisches Betätigungsverbot gilt. Bei dem Kongress selbst seien laut Polizei keine strafbaren Aussagen gefallen.

Die Behörden hätten sich am Wochenende »in jeglicher Hinsicht rechtsstaatswidrig verhalten« hatte Rechtsanwalt und Mitglied des Rechtsteams der Veranstaltung Alexander Gorski am Sonntag im Gespräch mit jW erklärt. Ein Betätigungsverbot beziehe sich ausschließlich auf die physische Präsenz einer Person. Zudem sei das Verbot unverhältnismäßig gewesen. Während das Vorgehen der Polizei international für Irritationen sorgte, wurde es in Deutschland überwiegend positiv bewertet. »Die Sicherheitsbehörden haben unsere freiheitliche Grundordnung geschützt; dafür gebührt ihnen Dank«, sagte der Präsident der Jüdischen Gemeinde, Josef Schuster, am Sonntag dem Spiegel.

Für Kritik sorgte zudem ein Einreiseverbot, das im Zusammenhang mit dem Kongress gegen den ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis verhängt worden ist. »Um antisemitische und israelfeindliche Propaganda bei der Veranstaltung zu verhindern«, seien mehrere Einreiseverbote ausgesprochen worden, wie AFP unter Berufung auf »Sicherheitskreise« am Sonntag berichtete. Eines davon betreffe Varoufakis, Mitgründer der linken Partei Diem25, deren Schwesterpartei MERA25 in Deutschland bei den EU-Wahlen antritt.

Zu angeblich bestehenden Betätigungs- und Einreiseverboten im Zusammenhang mit dem Palästina-Kongress wollte sich das Bundesinnenministeriums (BMI) am Montag nicht äußern. Einzelfälle kommentiere man nicht, so eine Sprecherin in Berlin. Das Auflösen der Veranstaltung nannte sie »richtig und notwendig«, wobei die »polizeilichen Maßnahmen in der Zuständigkeit des Landes Berlin« gelegen hätten. Die Frage, wieso die Veranstaltung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) als »islamistisch« bewertet worden war, wiegelte das BMI mit einem knappen Verweis auf »Erkenntnisse aus den Sicherheitsbehörden« ab. Zum Einreiseverbot des ebenfalls als Redner vorgesehenen britisch-palästinensischen Chirurgen und Rektors der Universität Glasgow, Ghassan Abu Sitta, der als Augenzeuge aus dem Al-Schifa-Krankenhaus berichten sollte, wollte sich das Ministerium ebenfalls nicht äußern.

Das Einreiseverbot für Varoufakis bewertet dessen Partei »als Einschüchterungsversuch« für den kommenden Wahlkampf und als »klare Einschränkung unserer demokratischen Rechte«. Die Entscheidung sei eine »weitere autoritäre Zensur friedlicher Aktivisten, die den anhaltenden Völkermord in Gaza und die Beteiligung der deutschen Regierung kritisieren«, wurde Johannes Fehr, EU-Wahlkandidat für MERA25, in einer Mitteilung vom Montag zitiert.

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