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Aus: Ausgabe vom 15.04.2024, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Projektionsflächen

Zu jW vom 11.4.: »Staatsschutzfall des Tages: Katrin Sass«

Ach, nun auch die Sass. Ein weiterer gefallener Engel aus der bundesdeutschen Hall of Fame prominenter DDR-Widerstandskämpfer und/oder -Opfer bzw. der dazu erhobenen und glorifizierten. Man wird sie nun einreihen müssen hinter solche »Bürgerrechtler« wie Wolfgang Templin, Vera Lengsfeld, Siegmar Faust oder auch Arnold Vaatz, die sich inzwischen öffentlich als Träger rechten Gedankenguts und als AfD-Sympathisanten geoutet haben. Dem politischen Mainstream der BRD bereitet das Bauchschmerzen, denn sie taugen nun nicht mehr als Projektionsflächen westdeutscher Bürgerträume von heldenhaften ostdeutschen Widerstandskämpfern gegen den Kommunismus und für Demokratie und Freiheit.

Lange ignorierte man politisch unkorrekte Äußerungen dieser Freiheitshelden. Aber heute, wo nur noch bestimmte, explizit geäußerte politische Ansichten und Meinungen, in einem schmalen Korridor, als »demokratisch« zugelassen sind, fällt das schwer. Nun unterstellt man Lengsfeld, Vaatz und Co., sie wären irgendwie nach rechts abgedriftet und hätten sich von ihren einstigen Idealen entfernt. Aber das haben sie nicht! Mit derselben Motivation und den gesellschaftspolitischen Einstellungen, durch die sie in der DDR zu Dissidenten wurden, stellen dieselben Leute sich heute gegen den zeitgenössischen bürgerlich-liberalen Mainstream der »Berliner Republik«. Sie stehen für eine Opposition von rechts, damals wie heute.

Man kann den Kreis dieser missverstandenen bürgerlichen Helden sogar auf den ehemaligen »Ostblock« erweitern, auf z. B. die Kaczyński-Brüder und Viktor Orbán, antikommunistische und erzkonservative Antiliberale. Orbán ist vom Chef der Konservativen im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), als großer Europäer und Demokrat bezeichnet worden, weil Orbán in Ungarn »gegen den Kommunismus« gekämpft hatte. Die Beschneidung von Bürgerrechten und Verletzung von Menschenrechten in Orbáns Ungarn fand der deutsche Konservative weniger bedeutsam. Man muss halt Prioritäten setzen.

Marc Pilz, Cottbus

Demokratie

Zu jW vom 11.4.: »Augen auf beim Anleihenkauf«

In der jW vom 11. April 2024 erschien ein Artikel von Hagen Bonn »Augen auf beim Anleihenkauf«, wo er über Die Ärzte und das Kreuz mit der Demokratie schreibt. Auch vorher schon sind Die Ärzte mit ihrem Lied nicht gut bei der jW angekommen. Ich hätte das sicher nicht weiter zur Kenntnis genommen, aber meine Tochter hatte mir das Lied extra ans Herz gelegt. Es gibt also ein öffentliches Interesse am Thema Demokratie und wie sie heute zu verteidigen ist.

Demokratie ist die adäquate politische Bewegungsform des doppelt freien Lohnarbeiters unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise. Nur unter demokratischen Rahmenbedingungen kann der doppelt freie Lohnarbeiter seine Arbeitskraft frei verkaufen, sonst gerät er unter außerökonomischen Zwang. Der Kampf um die Demokratie ist der erste Schritt der proletarischen Bewegung, wie Marx und Engels in der Neuen Rheinischen Zeitung begründet haben. Die Zeitung wurde bewusst als Organ der Demokratie bezeichnet und nicht etwa als Zentralorgan des Bundes der Kommunisten. Der Kampf um die Demokratie ist ein Teil des Kampfes der Arbeiterklasse. Bezüglich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland ist darauf hinzuweisen, dass Max Reimann, der Vorsitzende der KPD, bei der Abstimmung darüber erklärte, dass man zwar heute dagegen stimme, dass aber die Kommunisten die Verteidiger des Grundgesetzes sein werden. Man denke an einen späteren Innenminister, Herrn Höcherl von der CSU, der erklärte, man könne ja nicht die ganze Zeit mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen. Für den heutigen politischen Kampf bedeutet dies, dass alle Kräfte, welche die Demokratie verteidigen, als Bündnispartner zu unterstützen sind.

Bernd Vogel, Leipzig

Nicht bei uns

Zu jW vom 11.4.: »Chinas subventionierte Technik«

Übrigens ist es beispielsweise in der BRD oder den USA absolut unüblich, staatliche Gelder dafür einzusetzen, um Hochtechnologien zur Marktreife zu bringen und entsprechende Produktionskapazitäten zu schaffen. Der schlagende Beweis für diese unumstößliche Tatsache sind die milliardenschweren Industriesubventionen, von denen immer sehr stolz berichtet wird. Und um die die Unternehmen nicht einmal betteln müssen, weil sie auch hochprofitablen Firmen förmlich hinterhergeworfen werden. Aber wie gesagt: So etwas gibt es bei uns nicht. Denn hier regelt der Markt alles. Oder etwa nicht?

Joachim Seider, Berlin

Kontinuität

Zu jW vom 11.4.: »LNG-Terminal genehmigt«

Robert Habeck 2016: »Mindestens muss der geplante Ausbau der Nord-Stream-Pipeline gestoppt werden. Sonst helfen wir Russland, noch mehr Gas nach Deutschland und Europa zu transportieren und seine Einnahmen zu erhöhen.« Habeck 2017 als Mitglied der schleswig-holsteinischen Landesregierung: »Wir werden die beiden Projekte Vielzweckhafen und nationales LNG-Terminal in Brunsbüttel vorantreiben.« Habeck 2020: »Diese Pipeline spaltete Europa. Sie ist ökologisch unsinnig und überdimensioniert. Und sie ist sicherheitspolitisch falsch.« Habeck wurde schon vor langer Zeit auf das Thema angesetzt.

Patrick Büttner, Leipzig

Mit derselben Motivation, durch die sie in der DDR zu Dissidenten wurden, stellen dieselben Leute sich heute gegen den bürgerlich-liberalen Mainstream der ›Berliner Republik‹.

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