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Aus: Ausgabe vom 04.04.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Ein langer Weg. Dev Patels Rachefilm »Monkey Man«

Von Ronald Kohl
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Scheitern geht immer: Dev Patel als Monkey Man

Kid (Dev Patel) hat keinen richtigen Namen. Er ist der Monkey Man. Nacht für Nacht steigt er mit einer Gorillamaske in den Ring eines illegalen Kampfklubs und lässt sich von den gesetzten Stars vermöbeln. Natürlich ist viel Show dabei, aber das Blut, das regelmäßig nach den ersten harten Schlägen aus den Nasenlöchern der zerknautschten Affenmaske tropft, ist echt.

»Monkey Man« spielt in der imaginären indischen Metropole Yatana, was übersetzt Vergeltung heißt. Doch Kid geht es nicht darum, den anderen auch mal eins auf die Nase zu geben. Er will töten, den Mord an seiner Mutter rächen und alle bestrafen, die dafür verantwortlich sind, dass sein Dorf vor vielen Jahren angezündet und der qualmende Rest von Bulldozern platt geschoben wurde, nur um an dieser Stelle ein Werk zu errichten.

Der Versuch, einen Zugang zu den ruchlosen Eliten der Stadt zu finden, scheiterte für Kid, der kaum mehr als ein paar Shorts und die ramponierte Maske besitzt, lange Zeit schon am Dresscode. Irgendwann hat er dann jedoch genug Geld aus den Kämpfen angespart, um eine Handvoll professioneller Bettler und Langfinger anzuheuern, die ihm das Handy einer Dame organisieren, bei der alle, die in Yatana im großen Stil Dreck am Stecken haben, ein und aus gehen.

Queenie (Ashwini Kalsekar) ist die allmächtige Managerin des King’s Club. Vermutlich selbst einmal der Prostitution nachgegangen, führt sie jetzt mit eiserner Hand dieses Luxusbordell mit gehobener Küche. Mit ein paar Rupien lässt sich Kid nicht abspeisen, als er ihr das Smartphone aushändigt. Er will eine Chance. Und er bekommt sie: vom Tellerwäscher zum Racheengel. Ein langer Weg, auf dem man viel falsch machen kann.

Anfangs entwickelt sich jedoch alles prima. Kid bekommt sogar einen Namen. Als ihn der umtriebige Laufbursche Alfonso (Pitobash Tripathy) danach fragt, wie er denn überhaupt heiße, antwortet Kid spontan: Billy. Das ist der Handelsname des Scheuermittels, mit dem er ständig in der Topfspüle hantiert. Alfonso findet Gefallen an ­Billy/Kid, der nie Fragen stellt, die Gäste vorschriftsmäßig mit Koks versorgt und sich korrekt gegenüber den Mädchen verhält. Mit einer freundet er sich sogar an, denn Sita (Sobhita Dhulipala) ist genau wie Billy auf dem Land aufgewachsen. Sie spürt sofort, dass Billy kurz davor steht, komplett die Kontrolle über sich zu verlieren, als er den Mörder seiner Mutter mit Koks bedienen muss. Draußen, an der frischen Luft, wohin sich Billy nur mit größter Anstrengung gerade noch so flüchten kann, sagt Sita mit Blick auf ihrer beider Gesamtsituation: »Wenn du damit ein Problem hast, bist du hier falsch.«

Die Vorbereitung auf den Rachefeldzug ist naturgemäß die entspannteste Phase des Films. Billy besorgt sich eine Waffe, dreht ein paar Proberunden mit Alfonsos Motorrikscha, die auch über eine Art Raketenantrieb verfügt, und er verfolgt im Fernsehen den politischen Aufstieg des Gurus, der aus reiner Habgier Billys Dorf verwüsten ließ.

Dann, als er alles minutiös vorbereitet hat, schlägt er zu. Es wird ein gigantisches Blutbad, jedoch leider nur unter den Leibwächtern. Die großen Tiere kommen mit einem blauen Auge und ein paar zerschmetterten Rippen davon, und Billy gibt seiner Turbo­rikscha die Sporen. Da er dem Polizeichef eins auf die Zwölf gegeben hat, ist der Fahndungsaufwand entsprechend groß: Hubschrauber, Jeeps, Motorräder, Straßensperren, Maschinenpistolen usw.

»Monkey Man« ist ein Actionthriller, der alle Möglichkeiten des Genres bis zum Anschlag ausreizt. »Seit meiner Kindheit bin ich besessen von Actionfilmen«, sagt Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Regisseur Dev Patel. Was sein Werk sehenswert macht, ist der Held. »Ein Held, der nicht alles hat, der nicht stets den perfekten Spruch parat hat«, beschreibt ihn Patel sehr zutreffend. Und weiter: »Ein Typ, der es versucht und scheitert und es wieder versucht, nur um erneut zu scheitern.« Nichts für Optimisten.

»Monkey Man«, Regie: Dev Patel, USA/Kanada/Indien/Singapur 2024, 120 Min., Kinostart: heute

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