Nicht mehr zumutbar
Von Nico PoppDie 1990 von dem Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann und einigen Mitstreitern gegründete Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz ist aus dem Beirat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten ausgetreten. Das teilte die Vereinigung, die in dem Beirat mitarbeitete, weil das sächsische Torgau bis 1945 das Zentrum der faschistischen Militärjustiz war, am Dienstag mit.
Die Zusammenarbeit sei von Anfang an von Konflikten geprägt gewesen, heißt es zusammenfassend in der Mitteilung, in der vor allem auf die langjährigen Auseinandersetzungen um die Gedenkstätten in Torgau verwiesen wird. Die dortige (inzwischen teilweise überarbeitete) Dauerausstellung habe absprachewidrig keinen Schwerpunkt auf die Verfolgung der über 20.000 Opfer der Militärjustiz gelegt, sondern sei in drei gleichgroße, »ineinander übergehende« Bereiche aufgeteilt worden. »Die lapidare Begründung hierfür war, dass es in Torgau drei Verfolgungsperioden gegeben habe: die Zeit der NS-Militärjustiz bis 1945 und die sowjetischen Speziallager bis 1949 sowie den anschließenden DDR-Strafvollzug.« Dabei handele es sich um »eine Nivellierung unterschiedlicher Formen von Unrecht«.
Das Problem sei in der Gedenkanlage vor dem ehemaligen Militärgefängnis Fort Zinna wieder aufgetreten. Das zuständige Dokumentations- und Informationszentrum Torgau habe sich geweigert, auf den Tafeln deutlich zu machen, dass unter den nach 1945 Inhaftierten auch Personen waren, »die vor 1945 auf unterschiedliche Weise Kriegsdienstverweigerer und Deserteure verfolgt und geschunden hatten«. Auch diese Anlage sei so konzipiert, »dass die beiden Erinnerungsschwerpunkte ineinander übergehen und das Erinnern und Gedenken an sie damit konzeptionell verbunden ist«. Das sei für die Opfer der Militärjustiz »unzumutbar«.
Um die Arbeit der 1994 gegründeten Stiftung Sächsische Gedenkstätten gibt es seit Jahrzehnten Kontroversen. Richtschnur der sächsischen Gedenkstättenpolitik ist eine an der Totalitarismustheorie orientierte, mehr oder weniger subtile Gleichsetzung von Naziregime und DDR, von »Nationalsozialismus« und »Realsozialismus« bzw. den »zwei deutschen Diktaturen« von »1933 bis 1989«. Wobei man sich in Sachsen lange vor allem an der DDR abarbeitete: 2004 etwa setzte neben anderen Organisationen auch der Zentralrat der Juden die Zusammenarbeit mit der Stiftung mit Verweis auf diesen Umstand aus.
Wer sich das verantwortliche Personal ansah, den konnte diese Fokussierung kaum überraschen. In Sachsen hatten im Zuge der langen Alleinherrschaft der CDU Akteure das Kommando in der Geschichts- und Gedenkstättenpolitik übernommen, die andernorts auf das Feld der »Aufarbeitung der SED-Diktatur« beschränkt blieben: rechte und liberale Antikommunisten – oft ehemalige »Bürgerrechtler« –, die nun auch für die Tatorte der faschistischen Diktatur zuständig waren.
Dadurch ergab sich zwangsläufig eine latente Konfrontation mit Organisationen und Opferverbänden, die mit einer den Faschismus relativierenden Gleichsetzung der Naziverbrechen mit dem »DDR-Unrecht« wenig oder gar nichts anfangen konnten. 2003/04 eskalierte die Auseinandersetzung um das auf Gleichsetzung der »Diktaturen« abgestellte Gedenkstättenstiftungsgesetz. Eine Beruhigung trat erst ein, als die Landesregierung zusagte, das Gesetz zu überarbeiten, was 2012 geschah. Die Vereinigung der Opfer der Militärjustiz resümierte am Dienstag dennoch, dass »weder über die grundsätzliche Bewertung der NS-Militärjustiz« noch »über das Täterverständnis der Stiftung, wie es weiterhin vor Fort Zinna zum Ausdruck kommt«, eine Einigung habe erzielt werden können – und zwar »mangels Gesprächsbereitschaft« der Stiftung.
Die Bundesvereinigung sieht darin »eine fortgesetzte Geringschätzung der Verfolgungsgeschichte der von ihr vertretenen Opfer«. »Während Bestrebungen zur Erlangung von ›Kriegstüchtigkeit‹ immer stärker« würden, »gibt es für die Verweigerer von Hitlers Vernichtungskrieg am zentralen Ort ihrer Verfolgung immer noch keine angemessene Darstellung dieses Verbrechens«. Und das sei »nicht hinnehmbar«. Bislang liege keine Reaktion der Stiftung auf die vor drei Wochen übermittelte Austrittserklärung vor, sagte Günter Knebel, Vereinsvorstand der Bundesvereinigung, am Dienstag gegenüber jW.
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Die zweite Bestie (Diktatur), also Russland gibt es leider immer noch und muss nun niedergerungen werden, bevor wir wirklich aufatmen können. Ich wende mich entschieden dagegen, es automatisch als Unrecht zu bezeichnen, wenn jemand in einem Gefängnis oder Lager der sowjetischen Besatzungszone saß. Zwar saßen dort auch Insassen wegen Bagatelldelikten oder Unschuldige, wie überall zu Stalins Zeiten, aber doch nicht nur. Wohin waren denn die NS Täter in der SBZ auf einmal verschwunden? Täter waren doch nicht nur Hitler oder Goebbels. Nicht alle gingen nach Westdeutschland rüber. In der SBZ bekam eben nicht fast jeder einen »Persilschein« wie im Westen. Wir wissen doch, wie es dann selbst beim Auschwitzprozess lief. Der Fehler war nicht, dass es in der SBZ Gefängnisse und Lager für diesen Personenkreis gab, sondern dass dies bei den Westalliierten entweder gar nicht oder in weit geringerem Ausmaß der Fall war. Da wurden die Reststrafen großzügig erlassen, nachdem das Strafmaß ohnehin zu gering gewesen war oder meist Freisprüche durch die ehemaligen Nazirichter erfolgten. Wer sagte das, Napoleon? »Geschichte ist die Summe der Lügen, auf die man sich geeinigt hat«. Das trifft auch auf Gefängnisse und Lager in der SBZ zu. Wenn die von Russen geleitet wurden, konnte es sich ja nur um Unrecht handeln im Gegensatz zur Weißwaschung der Täter im Westen.