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Aus: Ausgabe vom 28.03.2024, Seite 4 / Inland
Arbeit in der Wissenschaft

Konkurrenzdruck bleibt

Bundeskabinett bringt Änderungen auf den Weg. Kritik von Gewerkschaften
Von Kristian Stemmler
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Kundgebung der GEW in Magdeburg, zu der auch studentische Beschäftigte an Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgerufen waren (5.12.2023)

Der Anteil befristeter Arbeitsverträge ist an Hochschulen und Forschungseinrichtungen hoch, die damit verbundenen prekären Arbeitsbedingungen werden von Betroffenen, die sich von einer Befristung zur nächsten hangeln und in vielen Fällen irgendwann aufgeben, seit Jahren öffentlich thematisiert. Jetzt soll sich etwas ändern: Die Bundesregierung hat am Mittwoch Änderungen des sogenannten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes auf den Weg gebracht. Das von Anfang an in der Kritik stehende Gesetz regelt seit 2007 Befristungen von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches und künstlerisches Personal an staatlichen Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

Eine Befristung von Arbeitsverhältnissen hält das FDP-geführte Bundesbildungsministerium aber weiterhin prinzipiell für sinnvoll, weil so junge Wissenschaftler »nachrücken« könnten und eine gewisse Fluktuation sichergestellt sei. In dem Gesetzentwurf wird nun aber eingeräumt, dass der Anteil an Kurzzeitverträgen zu hoch sei: Mindestens jeder dritte befristete Vertrag an Hochschulen und jeder vierte an außeruniversitären Forschungseinrichtungen habe nur eine Laufzeit von weniger als einem Jahr. Damit fehle die berufliche Sicherheit und Planbarkeit. Nach Daten des Bildungsministeriums waren 2022 an staatlichen Hochschulen von insgesamt 227.000 hauptberuflich wissenschaftlich und künstlerisch Beschäftigten 178.000 befristet angestellt.

Nun sollen Mindestvertragslaufzeiten eingeführt werden. Ein erster Arbeitsvertrag vor der Promotion muss künftig in der Regel eine Laufzeit von mindestens drei und nach der Promotion (in der sogenannten Postdocphase) von mindestens zwei Jahren haben. Promovierte sollen zudem künftig für maximal vier – statt bisher sechs – Jahre befristet beschäftigt werden dürfen.

Auch für studentische Beschäftigte gibt es Neuerungen. Sie dürfen nach den Vorstellungen der Ampel künftig bis zu acht Jahre (bisher maximal sechs Jahre) befristet beschäftigt werden, damit sie sich bei einer Überschreitung der Regelstudienzeit nicht kurz vor dem Abschluss noch einen neuen Nebenjob suchen müssen. Außerdem gibt es nun eine Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr. Bisher liefen Verträge nach Angaben des Ministeriums im Durchschnitt über ein knappes halbes Jahr.

Allerdings stoßen diese Pläne bei Gewerkschaften, Betriebsräten und Studierendenvertretern nicht auf große Gegenliebe. In einer gemeinsamen Erklärung unter anderem von DGB, Verdi und den Gesamtbetriebsräten der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaften überwiegt die Kritik. Die geplanten Mindestvertragslaufzeiten werden zwar begrüßt, die geplante Verkürzung der Befristungsdauer nach der Promotion von sechs auf vier Jahre wird indes abgelehnt. Dies schade den Wissenschaftlern, »die in der Rushhour des Lebens in höchstem Konkurrenzdruck von Befristung zu Befristung eilen«. Die Unterzeichner fordern eine unbefristete Beschäftigung nach der Promotion oder eine verbindliche Zusage zur Entfristung.

In der Erklärung wird obendrein bemängelt, dass die Beschäftigten im Wissenschaftsbetrieb bei Tarifverträgen größtenteils außen vor bleiben. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt zwar Abweichungen von seinen Regeln durch Tarifverträge, doch die Möglichkeiten bleiben weiterhin überschaubar. Die Beschäftigtenvertreter sprechen von einer »Tarifsperre«. Das Gesetz muss nun noch Bundestag und Bundesrat passieren, was mehrere Wochen dauern dürfte. Zustimmungspflichtig ist es im Bundesrat nicht. In Kraft treten soll das Gesetz zudem erst ein halbes Jahr, nachdem es im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Laufende Verträge sollen von den Neuregelungen unberührt bleiben.

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