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Aus: Ausgabe vom 16.03.2024, Seite 4 (Beilage) / Wochenendbeilage
Maghreb

Unabhängigkeit durch Organisation

Arganernte in Marokko: Ländliche Kooperativen eröffnen gesellschaftliche Perspektiven für Amazigh-Frauen
Von Text und Fotos: Alexander Indra
Auf dem Dach der Kooperative wird neben der Verarbeitung von Arganöl auch Gerste getrocknet
Samira Bendriouich (l.), die Gründerin von »Amazigh Girls Matters«, spricht zu Problemen der Amazigh-Minderheit in Marokko. Es brauche mehr Engagement und Sensibilität für die Frauen in den ländlichen Gebieten
Iba Keltoum ist die Präsidentin der Kooperative »Tiwizi Wargan« und 62 Jahre alt. Sie gründete die Genossenschaft 2005 mit 50 Frauen aus dem Dorf, um lokale Produkte herzustellen und besser zu vermarkten
Fatiha und Samira sitzen mit Iba Keltoum (v. l. n. r.) in der Frauenkooperative »Tiwizi Wargan«, wo hauptsächlich Arganöl hergestellt wird
Der Arganbaum ist resistent gegen Trockenheit und hohe Temperaturen und wird in Marokko seit Jahrhunderten zur Ölgewinnung angebaut
Am Ende des Sommers werden die vom Boden aufgelesenen Arganfrüchte eingesammelt. Die Imazighen verwenden das Arganöl seit Jahrhunderten als Medizin, Kosmetik und zum Kochen
Die Ernte wird in Säcken sicher und trocken in der Frauenkooperative gelagert. Aus 30 Kilogramm Beeren kann nur etwa ein Liter Öl hergestellt werden
Das Fruchtfleisch der Arganbeeren wird entfernt und der Kern herausgenommen

In der ganzen Welt bekannt unter dem Namen »Berber«, der jedoch von den meisten Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe abgelehnt wird, kämpft die Amazigh-Minderheit auch in Marokko seit Jahrzehnten um die Anerkennung ihrer Kultur, Sprache und Identität. Viele Imazighen, wie die Mehrzahl des Wortes heißt, sprechen ausschließlich Tamazight und haben nur geringe oder gar keine Kenntnisse in Arabisch oder Französisch. Die meisten leben in den ländlichen Gebieten des Atlasgebirges, die von Armut und unzureichender Infrastruktur geprägt sind. Diese Situation hat sich nach dem schweren Erdbeben vom September vergangenen Jahres noch weiter verschlechtert.

Insbesondere Frauen leiden unter gesellschaftlicher Benachteiligung, patriarchalen Denkweisen und haben oft keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Bildungseinrichtungen. Schulen liegen häufig weit entfernt von den Dörfern, und aus Angst vor möglichen Gefahren lassen viele Eltern ihre Töchter nicht zur Schule gehen.

Samira Bendriouich ist die einzige Person aus dem Dorf Afella Ighir, die eine weiterführende Schule besucht hat. Sie ist die Gründerin des Vereins »Amazigh Girl Matters«. Zusammen mit anderen Freiwilligen kämpft sie für die Anerkennung der Rolle der Frau in der Gesellschaft, organisiert Schulungen zu finanzieller Unabhängigkeit und unterstützt die Vermarktung lokaler Produkte für Amazigh-Frauen. Diese sind häufig in der Herstellung von traditionellem Schmuck, bei der Ernte und Verarbeitung von Getreide für Couscous und dem Verkauf von Meeresfrüchten tätig. Eine der wichtigsten Lebensgrundlagen ist für viele jedoch die Ernte und Herstellung des hochwertigen und kostbaren Öls, das aus den Beeren des Arganbaums gewonnen wird. Durch die Förderung von Kooperationen und Kooperativen wird den Mädchen und Frauen ein sicherer Verkaufsort für ihre Produkte gewährleistet.

Samira ist sich sicher, was die Bedeutung ihrer Arbeit angeht: »Nur indem wir Frauen heute dabei unterstützen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und sie aus ihrer Komfortzone herausführen, können wir eine Zukunft mit mehr weiblichen Führungskräften gestalten.«

Alexander Indra ist ein italienischer Fotograf. Er arbeitet vorwiegend zu gesellschaftlichen und politischen Themen und lebt zur Zeit in Berlin.

alexander-indra.com

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